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Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen

Titel: Vorzeitsaga 06 - Das Volk an den Seen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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ihrer Krieger getötet, die restlichen fünf auf der Flucht gestellt und auch sie ins Jenseits befördert.
    Als Otter dem Krieger in die Augen sah, sah er den Tod.
    Er riß sich von dem Anblick los, denn er mußte sich den anderen zuwenden.
    Otter verbeugte sich höflich vor den Ältesten in der Reihenfolge der Weltrichtungen: Blut, Sonne, Himmel und Winter. Sie antworteten mit einem Nicken ihrer weißen Häupter. Heiligere Männer als diese gab es auf der ganzen Welt nicht mehr. Weswegen waren sie hier?
    Schließlich stand Otter einem hageren, dünnasigen Mann gegenüber, der nicht viel älter war als er selbst. Ein Träumer, und besonders einer, der gerade von den Toten zurückgekehrt war, sollte in seinem Auftreten Macht ausstrahlen. Es sollte etwas von ihm ausgehen, das jeden mit Ehrfurcht erfüllte. Wer ihn ansah, müßte sofort spüren, daß dieser Mensch das Großen Mysterium gesehen hatte.
    Tatsächlich aber grinste Grüne Spinne leicht dümmlich, machte einen unentschlossenen Eindruck, und sein Blick wanderte ziellos hin und her, als könnte er sich nicht auf einen Punkt konzentrieren. Ein Umhang aus Truthahnfedern hing ihm über die knochigen Schultern, ein dickes Gewebe aus braunem Stoff hatte er sich um die Hüften geschlungen.
    Auf seiner ersten Reise nach Süden mit seinem Onkel war Otter dem berühmten Schamanen der Anhinga vorgestellt worden. Er hatte Durch den Himmel gefallen geheißen. Damals hatte der alte Träumer schon über achtmal zehn Jahre gelebt. Dieser Älteste war nur noch Haut und Knochen gewesen, so zerbrechlich, daß ihn ein Kinderfächer fortgewedelt hätte. Dennoch hatte er Macht ausgestrahlt; man hatte sie gespürt wie die Hitze, die einer Feuergrube entströmt.
    Grüne Spinne dagegen hockte sich jetzt geistesabwesend nieder und fuhr mit einem Finger um eine Tonscherbe, die jemand gedankenlos in die braune Erde getreten hatte.
    Blaue Kanne stand hinter Großmutter, eine Hand vor dem Mund, die Augen angstvoll aufgerissen.
    Viertöter verbeugte sich vor den Ältesten; seiner gespannten Aufmerksamkeit entging nichts, und instinktiv stellte er sich zwischen Schwarzschädel und die Großmutter.
    Otter legte eine Hand auf die Brust. »Ich bin Otter, Sohn von Blaue Kanne und Enkel von Gelbes Schilfrohr vom Weißmuschelclan. Ich habe gehört, daß die Clanältesten der Stadt der Toten mich zu sprechen wünschen.« Warum war er so nervös? Wie oft war er schon auf dem Gelände fremder Clans gelandet, erwartet von ablehnenden Blicken und abschußbereiten Speeren? Er hatte sich immer seine Gelassenheit bewahrt.
    Er faßte sich, zeigte ein entwaffnendes Lächeln und versuchte, sein aufgeregt schlagendes Herz zu beruhigen.
    Alter Blutmann senkte den Kopf und betastete dabei seine rosafarbene Muschelschale. »Wir sind sehr froh, dich zu treffen, Otter. Möge dein Leben lang sein, und mögest du dich guter Gesundheit erfreuen.
    Mögen deine Schwestern viele Kinder haben, und mögen sie alle sehr alt werden.«
    »Ich danke dir, Ältester. Der Weißmuschelclan fühlt sich durch euch geehrt. Was uns gehört, steht zu eurer Verfügung. Bleibt hier, solange es euch gefällt. Wir hoffen, wir können euch zu Diensten sein.«
    »Gut gesprochen«, sagte Alter Himmelsmann und schaute in die Runde. »Ich fürchte, daß unsere Ankunft viele Leute erschreckt hat.«
    Otter trat von einem Bein aufs andere und blickte unbehaglich auf Großmutter, die sofort die Gelegenheit ergriff und sagte: »Für uns war es etwa so, verehrter Ältester, als hätte Erster Mann unser Lager betreten. Ihr habt uns überrumpelt.« Mit belustigtem Funkeln in den Augen stieß sie Blaue Kanne an. »Aber sobald einige von uns ihre Sprache wiederfinden, werden wir sehr viel gastfreundlicher sein.«
    Die Ältesten lachten leise, und die Spannung ließ nach. Nur in Schwarzschädel schwelte weiter die Unzufriedenheit. Viertöter, dem nichts entging, blieb wachsam.
    »Wir alle sind wie Tonscherben«, murmelte Grüne Spinne und betrachtete stirnrunzelnd die Scherbe, die er eingekreist hatte. Als er aufschaute, sahen die Gesichter um ihn fast alle unangenehm berührt aus. »Ist euch das klar? Ihr könnt euer Leben sehen in Gestalt von Scherben. Aus Schlamm und Wasser sind wir gemacht. Einmal geboren, werden wir in unserer Kindheit von vielen Fingern geformt und dann in den Leidenschaften unserer Jugend gebrannt. Als Erwachsene sind wir wie Gefäße, wir tun unsere Arbeit, versorgen unsere Habe und sammeln etwas für die geistige Welt. Und eines

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