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Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze

Titel: Vorzeitsaga 07 - Das Volk der Blitze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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Bissen nehmend zwischen Kreisch- und Jubellauten.
    Mondschnecke beugte sich vor. »Iss, Teichläufer«, sagte sie drängend.
    Er griff nach einem Stück Gans. »Du willst mich wohl bei Kräften halten, Großmutter?«
    »Das will ich«, antwortete sie und schlug ihm aufs Knie. »Du sollst dich voll stopfen. Das wirst du nämlich brauchen.«
    Gegen Abend hatte Teichläufer so viel gegessen, dass er sich so dick fühlte wie ein Bär im Herbst; er war sehr müde. Dauernd unterdrückte er das Gähnen und versuchte, den Feierlichkeiten aufmerksam zu folgen. Rotalge und der Rest seiner Familie standen am Meer und sprachen mit Schote. Die feinen Gewänder der Gäste wiesen nun Speiseflecken auf, viele hatten ihr Haar gelöst und dem Wind überlassen, und hie und da fingen Tänzer schon an, vor Erschöpfung zu taumeln. Kinder mit Gesichtern, die vor Gänse- und Katzenfischfett glänzten, rasten den Erwachsenen zwischen den Beinen hindurch. Alle waren offenbar in bester Stimmung. In den Speiseschalen waren jetzt nur noch Reste und haufenweise Gräten. Schon fingen ein paar Frauen an aufzuräumen; sie stapelten die Schalen aufeinander und brachten sie zum Meer, um sie zu spülen. Muschelweiß hatte mit Kernholz-Kriegern einige Tänze getanzt, lag aber nun neben Teichläufer auf der Seite, die langen muskulösen Beine ausgestreckt, den Kopf auf die Hand gestützt. Auch sie sah mitgenommen aus.
    »Muschelweiß«, murmelte Teichläufer und beugte sich zu ihr, »ich bin sehr müde. Könnten wir, ich meine, würdest du - ich will dich nicht vom Feiern abhalten, aber -«
    »Ja, Teichläufer. Ich will auch gehen.«
    Sie erhob sich und half ihm aufzustehen, umfasste seine Taille und stützte ihn, als sie zusammen zu den Bäumen gingen. Niemand schien bemerkt zu haben, dass sie gegangen waren. Sie schlug den Hirschpfad ein, der zur Hochzeitshütte führte.
    Das Licht der Sterne fiel in mattsilbernen Streifen um sie herum. Die Gerüche des Waldes, der Kiefern und des nassen Herbstlaubs erfüllten die Nachtluft. Der Regen tropfte mit weichen Zischlauten auf die Blätter. Teichläufer blickte sie von der Seite her an, am Rand seiner blauen Kapuze vorbei. Im schwachen Strahl des Sternenlichts, der die Wolken durchdrang, sah er die Traurigkeit in ihren Augen.
    Ihm zog sich die Brust zusammen, und eine schmerzliche tiefe Sehnsucht wuchs in ihm, der Wunsch, ihren Schmerz zu lindern, als ob er schon ahnte, was ihr Zusammensein bedeuten könnte, und diese heile, harmonische Zweisamkeit jetzt schon ersehnte - aber doch nicht haben konnte, und vermutlich viele Sommer lang nicht haben würde.
    »Hat deine Mutter mit dir über das Ehebett gesprochen?« fragte sie ruhig.
    »Nein.« Er lachte. »Das hat Großmutter getan. Ich glaube, sie musste meine Mutter mit ihrem Wanderstab vertreiben, und das ist ihr gelungen. Dank den Leuchtleuten. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen hätte.«
    »Du liebst deine Mutter nicht?«
    Melancholisch sagte er: »Sie muss die Menschen offenbar immer verletzen. Besonders mich und Rotalge.«
    Bei seinem gequälten Ton schaute sie auf. »Bist du wohlauf?«
    »Ja, warum? Klang ich anders?«
    Muschelweiß fasste ihn fester um die Taille und drückte ihn an sich. »Man kann einen Menschen zermürben, das ist alles. Andauernde Grausamkeit hinterlässt offene Wunden in den Seelen der Opfer, Wunden, die nie mehr wirklich verheilen, Teichläufer.«
    »Wie meinst du das? Warum sollten sie nicht heilen mit der Zeit?«
    »Das ist schwer zu erklären«, antwortete sie und atmete tief aus. »Es ist, als ob ein böser Mensch seine Opfer wie durch Zauberkraft beherrscht, und zwar für immer, solang das Opfer am Leben bleibt; da bedarf es nur eines einzigen verletzenden Worts vom Peiniger, und die Wunden in der Seele des Opfers bluten wieder. Ich verstehe es selbst nicht ganz. Ein erwachsener Mensch sollte fähig sein, so etwas zu überwinden, meinst du nicht?«
    Teichläufer dachte darüber nach. Der Ausdruck von Muschelweiß war grimmig, und ihre Stirnfalten hatten sich vertieft. »Hat denn ein böser Mensch so eine magische Herrschaft über unsere Seelen? So wie meine Mutter?«
    Sie blieb eine Weile stumm. Dann sagte sie schroff, mit Bitterkeit in der Stimme: »Ich glaube nur ungern daran, aber wahrscheinlich ist es so. Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen.« Teichläufer blinzelte und beobachtete, wie der Laubübersäte Pfad unter seinen Sandalen dahineilte. Meinte sie Kupferkopf? Seit er denken konnte, hatte er Leute von Dingen

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