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Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille

Titel: Vorzeitsaga 08 - Das Volk der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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deiner Stelle ängstlich.«
    »Wieso?«
    »Na ja, du befindest dich hier in einer schlechten Position. Mein Mann beschuldigt mich, ich würde mit einem seiner Krieger schäkern, und dann erscheinst du plötzlich aus dem Nichts, bei mir, allein.« »Aber ich kann dich doch nicht hier draußen lassen, Gesegnete Nachtsonne. Besser, ich bleibe hier, um dich zu beschützen, als in Kauf zu nehmen, daß dich unsere Feinde umbringen.« »Das würde ein schlechtes Licht auf dich werfen, nicht wahr?«
    Er hob eine Braue. »Es gibt bestimmt welche, die das gegen mich verwenden würden.« »Aber wenn mein Mann herausfindet -«
    »Von meinem Mut wird man noch singen, wenn ich schon lange tot bin.«
    Nachtsonne blinzelte, dann lachte sie. Eisenholz grinste sie an, die weißen Zähne schimmerten im Dunkeln. Wie gut das war, wieder einmal zu lachen. Sie hatte seit langem nicht mehr gelacht, nicht mehr, seit dieser Wahnsinn mit Krähenbart begonnen hatte. Für diese wenigen gelösten Augenblicke war sie diesem jungen Mann sehr dankbar.
    »Vielen Dank«, sagte sie.
    »Dein Diener, Ehrwürdige Mutter.«
    Nachtsonnes Lächeln schwand. Sie seufzte sorgenvoll. Sie wäre gern noch geblieben, aber sie wußte, es wäre nicht gut. Um seinetwillen.
    »Also hilf mir bitte auf, ich will versuchen, nach Hause zu gehen.« Sie mühte sich, die Füße unter sich zu ziehen.
    Eisenholz stand auf, griff ihr unter die Arme und zog sie in die Höhe. Der verletzte Knöchel knickte ein, sobald sie ihn belastete, und mit einem kleinen Aufschrei fiel sie gegen ihn. Er hielt sie ganz fest. Vielleicht war es die tröstliche Unterstützung durch seine starken Arme oder auch einfach nur das Gefühl eines anderen menschlichen Körpers nahe an ihrem, was ihre Spannung löste. Die ganze Erschöpfung durch die lange Geburt, verstärkt durch den Kummer wegen Krähenbart, kam jetzt an die Oberfläche, und sie fing an zu weinen. Sie vergrub das Gesicht in seiner Schulter, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
    Er sagte nichts, strich ihr nur teilnahmsvoll über den Rücken, bis ihre Tränen versiegten. Dann trat er zurück, legte ihr eine sanfte Hand aufs Haar und beobachtete sie besorgt. »Alles in Ordnung?« »Natürlich nicht«, sagte sie scharf. »Ich kann nicht gehen.«
    »Hier«, sagte er und drehte sich zur Seite. »Wenn du die linke Hand über meine Schulter legst, dann kann ich dich, glaube ich, einigermaßen gut heimbringen.«
    Nachtsonne folgte dem Rat. Er ergriff ihre linke Hand und ging langsam vorwärts. Auf dem Heimweg mußten sie lachen.
    »Nein, Eisenholz«, flüsterte Nordlicht heiser, und der Klang seiner Stimme riß sie aus diesen süßen Erinnerungen. »Mach das nicht… Hexen fliegen umher und beobachten Leute… haben vielleicht… etwas gesehen…«
    Nachtsonne zog sich die warmen Decken bis zum Hals hoch und erschauerte; sie versuchte, ihre Erinnerungen zurückzuzwingen zu dem Augenblick, an dem sie vor siebzehn Jahren Eisenholz' Körper an dem ihren gespürt hatte.
    Der Schlaf lauerte schon am Rand ihres Bewußtseins, und sie ließ ihn in ihre Gedanken eindringen, ihre Seele umhüllen und die Stimmen der Welt auslöschen.
    Über eine unendliche Weite von Zeit hinweg lächelte Eisenholz sie an. Glücklich. Lachend…

D RITTER T AG
    Nieselregen fällt.
    Ich hebe mein Gesicht empor und mache den Mund auf, damit Kühle über meine Zunge streicht. Graue Wolken drängen sich über mir zusammen. Aus ihnen fallen Tunken, die sich im Wind drehen, aufblitzen und herabtaumeln. Ihre Stimmen sind wie Seide. Der Duft feuchter Steine und von Erde kreist um mich. Ich war einmal unsäglich hungrig, aber jetzt scheint mein Körper über diese seichte Rinne hinwegzuschweben wie das Fetzchen einer Wolke.
    Ich bin nicht mehr allein.
    In den letzten beiden Tagen habe ich eine seltsame Welt innerhalb endloser Horizonte entdeckt, wo Schweigen die Stimme der Vergebung ist. Ich spreche mit den Pflanzen, und ihre Antworten, in fröhlichem Singsang, sind so warm wie das Pelzkleid eines Bisons.
    »Wir suchen das Schweigen, nicht um die Freiheit kennenzulernen«, hat mir Düne einst gesagt, »sondern die Allverbundenheit. Von allem, was lebt, fließt die ganze Zeit etwas in dich hinein, so wie etwas von dir in alle lebenden Dinge fließt. Das Schweigen zeigt uns unsere gegenseitige Abhängigkeit, und dabei wäscht es über das Antlitz unserer Seele, damit wir besser sehen können.« Der Säulenkaktus neben mir wispert, wenn der Windjunge seine blütenbeladenen Arme

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