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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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vor Sonnenmuschels Ankunft hatten die Krähen mir berichtet, dass etwas Bedeutendes bevorstehe. Bis heute frage ich mich, was wohl geschehen wäre, wenn mir schon damals, in meiner Vergangenheit, jemand einen weisen Rat in mein jugendliches Ohr geflüstert hätte. Wie anders wäre mein Leben dann wohl verlaufen?«
    »Und was geschah stattdessen?«
    »Ich war jung, leidenschaftlich und von meinem Clan zurückgestoßen worden. Aber ich wollte es ihnen zeigen, sie würden für ihre Gemeinheit büßen müssen. Angetrieben von jugendlicher Anmaßung lief ich davon und suchte einen Ort, an dem man meinen Wert erkennen würde.« Er lächelte wehmütig und fuhr leise fort: »Verblendet, wie ich war, schwor ich, eines Tages an der Spitze einer Streitmacht zurückzukehren und dann … O ja, dann wäre alles anders verlaufen.« Er schüttelte den Kopf. »Im Namen Ohonas - was sind wir doch für Narren!«
    »Wer bist du?« Ihre ledrige Hand schloss sich fest um den Stock. »Wie heißt dein Clan? Aus welchem Dorf kommst du?«
    Seufzend schüttelte er den Kopf. »Dieses Geheimnis behalte ich für mich, Weroansqua, bis in meinen Tod. Jener junge Mann starb vor langer Zeit. Aber wenn es dir so wichtig ist, befiehl Neuntöter, mir den Schädel einzuschlagen, und dann sieh nach, ob du es mit deinen Fingernägeln aus meinem Hirn herauskratzen kannst. Aber selbst dann, fürchte ich, werde ich mein Geheimnis bewahren.«
    Sie beobachtete ihn aus schmalen Augen. »Und der Mord an Rote Schlinge?«
    Er lächelte versonnen. »Noch vor der Sonnenwende wirst du die Wahrheit wissen. Die Antwort ist bereits auf dem Weg, in Sonnenmuschels Kanu, Weroansqua, das letzte, noch fehlende Glied in der Kette der Wahrheiten.«
    Jagender Falke schloss die Augen. Sie war völlig erschöpft. Jaguar erkannte die Bürde des Alters, die sie dank ihres unbeugsamen Willens standhaft trug. Jetzt wirkte sie verwelkt und wie ausgedörrt.
    Mit rauer Stimme sagte sie: »Und diese Wahrheit wird mir nicht gefallen, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete er sanft, »das glaube ich auch.«

Drei
    Jaguar und Neuntöter warteten zwei Tage lang. Wie Jagender Falke vorausgesagt hatte, wälzte sich der Nebel über die Bucht ins Land und verdunkelte die Welt. Jaguar hatte es sich im Haus von Rosenknospe am Feuer bequem gemacht und wärmte seine alten Knochen. Weißer Otter gab ihm zu essen. Ihre Kochkünste waren erstaunlich gut.
    »Was hat die Weroansqua mit Springendes Kitz und mir vor?«, fragte Weißer Otter ängstlich.
    »Gar nichts, Kind«, beruhigte sie Jaguar. »Wir haben darüber gesprochen. Sie versteht jetzt, dass wir die Keule aus gutem Grund nahmen.«
    »Du warst sehr tapfer, Nichte«, versicherte Neuntöter. »Ich weiß nicht, ob ich in deinem Alter so mutig gewesen wäre.«
    Weißer Otter lächelte errötend.
    Neuntöter nickte und warf einen besorgten Blick auf Jaguar. Wenn es aufklarte und der Nebel sich hob, dann würden Schwarzer Dorn und Wilder Fuchs eintreffen - oder all ihre Pläne wären zunichte gemacht.
    In jener Nacht, als Jaguar und Neuntöter zusammen am Feuer saßen, schickte Jagender Falke eine ihrer Sklavinnen auf einen wichtigen Botengang in die Nacht hinaus.
    Jagender Falke blickte in das prasselnde, knackende Feuer, dessen gelbes Licht durch den Raum tanzte. Die Matten aus Schilf und Spartgras schimmerten golden. Über die Decke und die Regalfächer huschten Schatten, als ob dunkle Geister spielerisch miteinander rangen.
    Sie änderte ihre Haltung, um die schmerzenden alten Hüften zu entlasten. Die feuchte Kälte verstärkte die Schmerzen. Ohne die Medizin aus Weidenrinde, die Jaguar ihr empfohlen hatte, wäre dieser Winter unerträglich gewesen. Suchtrupps durchkämmten das Land auf der Suche nach Weiden.
    Sie rieb sich das Gesicht; finstere Gedanken drückten ihre Seele nieder. Von dem Augenblick an, da Rote Schlinge zu ihrer Flucht mit Wilder Fuchs aufgebrochen war, hatte sich der Grünstein-Clan wie ein Pelikan mit gebrochenem Flügel hilflos im Kreis gedreht. Nun spürte sie die dunklen Wellen des Unheils, die schon lange in ihr tobten.
    Wie rette ich den Clan?
    Dieser Gedanke bedrängte sie immer wieder, und ihre Seele war wund vor Hilflosigkeit. Im Laufe ihres Lebens hatte sie den Grünstein-Clan unter den Unabhängigen Dörfern aufsteigen sehen. Würde sie jetzt, in ihren letzten Tagen, zuschauen müssen, wie alles gleich einem ungebrannten Topf in der Brandung zerbrach?
    Sie blickte auf, als Kupferdonner im Einlass erschien. »Du hast mich

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