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Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels

Titel: Vorzeitsaga 09 - Das Volk des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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er den anderen folgte. Er würde der Mann sein, der Schwarzer Dorn Arme und Beine brach. Dies gehörte zu den Aufgaben eines Kriegshäuptlings. Pflicht und Ehre des Clans verlangten es. Nicht nur um der der Gerechtigkeit willen, er würde es auch für Rote Schlinge tun, die ermordete Clansfrau.
    »Häuptling, warte!«, rief Jaguar hinter ihm. »Auf ein Wort, bitte. Dies ist nicht…«
    »Nicht jetzt, Ältester! Bitte!« Konnte der alte Mann denn nicht einsehen, dass dies alles auch ohne weiteren Aufruhr furchtbar genug war? Neuntöter schob alle Erinnerungen beiseite - Bilder von sich und Schwarzer Dorn gemeinsam auf dem Kriegspfad, gemeinsam feiernd und scherzend, von gemeinsamen Jagden und Nächten in der Bucht, vom Feuer mitten im Kanu und der Speerjagd auf die Fische, die angelockt durch den Schein des Feuers aus dem Wasser auftauchten.
    »Wie konnte das nur geschehen, Schwarzer Dorn?«, murmelte Neuntöter. Sein Magen verkrampfte sich. Inzest! Bei den Göttern verhasst, hatte diese Schande den Grünstein-Clan befleckt, und der Makel reichte bis in seine eigene Familie. Aber zu töten? Er konnte einfach nicht glauben, dass Schwarzer Dorn das Mädchen ermordet hatte. Hätte er nicht eine andere Lösung finden können?
    Aber Jaguar hat offenbar Recht: Die Menschen überraschen immer wieder mit dunklen Seiten.
    Schwarzer Dorn hatte sich mit seiner Untat beinahe gebrüstet. Was konnte man darauf erwidern? Auch die Schöpfungslegenden erzählten davon: Die Menschen stammen von Okeus ab. Das Gefühl der Übelkeit erfasste nun Neuntöters ganze Seele.
    Jaguar zog ihn von hinten am Arm. »Häuptling, ich muss dir etwas sagen …«
    »Ältester, lass mich in Ruhe! Wir sprechen uns später!« Er schüttelte die Hand des alten Mannes ab und verlor ihn dann im Getümmel stoßender Ellbogen und drängender Leiber, als sie in die Dunkelheit hinaustraten. Kupferdonner und Fliegende Fischreuse schleppten den Gefangenen über den Platz.
    Nebelschwaden schwebten um sie herum wie der Atem des dunklen Gottes. Die Wächter blickten mit finsteren Mienen Unheil verkündend auf sie hinunter.
    Es ging alles sehr schnell. Aus dem Nebel tauchten von überall her Menschen auf und warfen Äste, Zweige und Reisig in die schwarze Feuergrube.
    Beunruhigt stand Neuntöter neben Fliegende Fischreuse, der mit Kupferdonner Schwarzer Dorns Arme nach hinten bog. Der Weroanzi schien jetzt zusammenzusacken. Jemand kam mit einem Keramiktopf voller Glut herbei und warf sie auf den Holzhaufen. Andere taten es ihm nach und brachten aus ihren Häusern Glut, die sie auf die wachsende Pyramide aus Holz schütteten.
    »Okeus, hilf mir!«, flüsterte Schwarzer Dorn, als das Feuer den Nebel in einen flammenden Kreis gelblichen Lichts verwandelte.
    Fliegende Fischreuse schien sich nicht wohl zu fühlen. Seine Augen waren glasig vor Abscheu, ein solch verruchtes Wesen wie Schwarzer Dorn festhalten zu müssen.
    Neuntöter konnte Kupferdonners tätowiertes Gesicht sehen. Er grinste und gemeine Gier glomm in seinen Augen.
    Steinknolle trat zu Neuntöter und reichte ihm seine alte, abgenutzte Kriegskeule. Angesichts der schaurigen Aufgabe, die auf ihn wartete, erschien ihm die Vertrautheit, mit der sie sich in seine Hand schmiegte, geradezu schamlos.
    Neuntöter hob die Waffe mit beiden Händen, die den mit Leder umwickelten Griff fest umklammerten. Ich will es nicht! Aber er hatte keine Wahl. Auch in der Vergangenheit hatten solche Dinge zu seinen Pflichten gehört. Kupferdonner und Fliegende Fischreuse würden Schwarzer Dorn festhalten oder ihn zu Boden werfen, und er, Neuntöter, würde die Keule im Kreis herumwirbeln und zuschlagen, und beim Auftreffen der Keule würde er das Krachen hören und zugleich in seinen eigenen Knochen spüren.
    Schwarzer Dorn war mein Freund … mein Freund …
    Selbst nach dem Geständnis des Weroanzi weigerte sich Neuntöters Gehirn störrisch, das Ungeheuerliche zu glauben, während zugleich sein Entsetzen über das schaurige Verbrechen wuchs.
    Blutschande! Wilder Fuchs hatte Rote Schlinge beigewohnt! Vielleicht sollte man den Jungen ebenfalls ins Feuer werfen und die üble Angelegenheit jetzt und hier und für immer aus der Welt schaffen. Er bemerkte, dass das Feuer jetzt loderte, dass ein Funkensturm in die dunstige Luft wirbelte, und straffte sich.
    »Kriegshäuptling!«, rief Jaguar drängend, als er über den Platz heranhumpelte. »Du musst mich anhören!«
    Neuntöter wandte sich seufzend dem alten Mann zu. »Mach schnell! Ich

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