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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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während sie Polterers Schüssel mit der dicken Suppe füllte. »Wenn du wieder bei Kräften bist, würde ich gern mehr Geschichten von deiner Mutter hören. Ich glaube, ich hätte sie gern gehabt.« Damit reichte sie Polterer die dampfende Schüssel. »Du wirst sie mögen«, sagte er und wartete, bis Zaunkönig ihre Schüssel ebenfalls gefüllt hatte. Als es soweit war, stürzte er sich auf seine Suppe wie ein Junge, der fürchtet, nie wieder im Leben etwas zu essen zu bekommen. Mit einer Geschwindigkeit, die sie ihm nicht zugetraut hätte, schaufelte er sich die dicke Suppe in den Mund.
    Zaunkönig dagegen aß langsam und genoss jeden Löffel. Das Maismehl hatte das Aroma der Zwiebeln angenommen und schmeckte jetzt herrlich würzig. Aber das war nicht der einzige Grund. Während des Mondes der Gefrorenen Blätter stoben die Truthähne beim ersten Anblick eines Jägers davon, und das bedeutete, dass sie erst wieder im Frühling zu einem so opulenten Mahl kommen würden. Ein Zweig in der Feuerstelle brannte hell auf und zerbrach knackend. Rammen züngelten empor, und der flackernde Schein ließ Polterers Schatten wie einen tanzenden Geist über die Wand hinter ihm huschen. Zaunkönig versuchte nicht hinzusehen. Das Bild erinnerte sie zu sehr an das erste Mal, als sie ihn gesehen hatte, oben im Dachgebälk hängend wie eine tödliche schwarze Spinne mit leuchtenden Augen. Jetzt wirkte er ganz anders. Unschuldig und verwundbar. Wie konnte ein Junge sich in so kurzer Zeit derart verändern?
    »Möchtest du noch Suppe, Polterer? Du hast gestern Abend nicht sehr viel gegessen und wirst deine Kraft brauchen.«
    Er reichte ihr seine Schale. »Teil den Rest zwischen uns auf. Du brauchst auch Kraft, und vor dem Abend werden wir nichts mehr zu essen bekommen.«
    Sie schöpfte die Hälfte der Suppe in seine Schale, den Rest in die ihre. »Mir fällt gerade ein«, sagte sie, als sie ihm die Suppe reichte, »dass ich noch etwas getrocknetes Elchfleisch eingepackt habe. Wenn wir unterwegs Hunger bekommen, können wir ein Stück davon essen.«
    Polterer lächelte. »Du bist so umsichtig, Zaunkönig.«
    Um ihre Verlegenheit zu verbergen, schob sie sich einen Löffel Suppe in den Mund und zuckte die Schultern. »Onkel Blauer Rabe hat mich gelehrt, was man für eine lange Wanderung einpacken muss. Er war früher einmal ein großer Krieger. Mein Volk erzählt sich noch heute viele Geschichten über seine Kühnheit.« Das Herz wurde ihr schwer. »Während eines Kampfes, das ist jetzt zwanzig Winter her, sah er, dass ein junger Krieger Gefahr lief, von einem feindlichen Pfeil getroffen zu werden, und warf sich vor den Jüngling, um ihn zu schützen. Der Pfeil traf meinen Onkel in die Schulter, aber es gelang ihm trotzdem, den feindlichen Krieger zu töten. In kalten Nächten macht ihm die alte Wunde auch heute noch zu schaffen.« Zaunkönig aß rasch einen Löffel Suppe, um die plötzlich aufsteigenden Tränen hinunterzuschlucken.
    Polterers Schüssel zitterte in seiner Hand. Er stellte sie auf den Knien ab. »Er ist ein tapferer Mann. Ich hatte ihn gern.«
    Zaunkönig schluckte. Nach dreißig Herzschlägen gelang ihr ein Lächeln. »Ich werde ihn vermissen.« Sie beendeten ihr Mahl schweigend und ohne sich dabei anzuschauen.
    Als das Feuer niedriger brannte, zogen sich die tanzenden Schatten in die dunklen Ecken zurück, und ein weiches, dunkelrotes Licht erfüllte den Unterschlupf. »Hast du Gauner Lebewohl gesagt?«, fragte Polterer unvermittelt in die Stille hinein. Ehe Zaunkönig begriff, was mit ihr geschah, erschütterten heftige Schluchzer ihre Brust. »Ich habe ihm gesagt…«, stieß sie hervor, »dass ich etwas tun würde, das mir großen Ärger einbringen wird.« In dem Blick, mit dem Polterer sie daraufhin ansah, öffnete sich ihr sein ganzes Herz. »Hat er geantwortet?«
    Zaunkönig schniefte und wischte sich die tropfende Nase ab, während sie versuchte, sich an den Moment zu erinnern. Sie hatte Gauner nicht bellen hören oder winseln, aber… »Nein«, sagte sie, »aber ich glaube, er hat mit dem Schwanz gewedelt.«
    Polterer lächelte.
    Zaunkönig fühlte sich wieder besser. Über Gauner zu sprechen gab ihr Kraft. »Polterer? Ich überlege schon die ganze Zeit, wohin wir gehen sollen. Sag mal, hast du nicht irgendwelche Verwandten in einem der umliegenden Schildkröten-Dörfer?«
    »Doch, aber .. zuerst muss ich nach Hause, Zaunkönig.«
    »Nach Hause?«, wiederholte sie verwirrt. »Du meinst ins Buntfelsen-Dorf? Aber

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