Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken
genießen.
Irgendwo in der Ferne krächzten Krähen, ihre Stimmen so fröhlich, als wollten sie Großvater Tagbringer ihren Gruß entbieten.
»Du glaubst, er ist auf dem Weg ins Buntfelsendorf, nicht wahr?«, fragte Aschenmond, die gerade hinter dem Felsen hervortrat.
»Ja«, nickte er und begann die Zweige klein zu brechen und in das Loch zu werfen. »Aber wozu? Er wird dort nichts mehr vorfinden.«
»Würdest du in seiner Situation nicht auch nach Hause gehen, Aschenmond?« Er griff nach seinem Beutel, um das Feuerbrett, den Holzstab und die kleine Schachtel mit verkohlten Rindenfasern hervorzuholen. Sorgfältig breitete er die schwarzen Fasern über den Zweigen aus und brachte das flache Brett in die richtige Position. »Selbst wenn man dir gesagt hätte, dass dein Dorf niedergebrannt und keiner deiner Lieben mehr am Leben wäre, würde dich dann nicht die Hoffnung zurücktreiben?« Aschenmond saß auf den zusammengerollten Felldecken. »Vielleicht«, räumte sie ein und beugte sich vor. »Aber ich kenne die Schrecken des Lebens. Ich habe fünfzig Winter damit verbracht, sie zu beachten, ohne sie zur Kenntnis zu nehmen. Der Junge zählt erst neun Winter. Seine Augen haben bisher nur sehen gelernt.«
Sperling hantierte mit seinem Feuerbrett und dem Holzstab. »Das fürchte ich auch.« Aschenmond versenkte die Hände in ihren Taschen und seufzte. »Sein ganzes Leben lang wurde er beschützt. Seine Leute behandelten ihn wie einen wertvollen irdenen Topf. Während der Schlacht im Buntfelsendorf ließen sie ihn fallen. Ich fürchte, er wird zerbrechen, wenn er vor den schrecklich zugerichteten Leichen seiner Familie steht.«
»Aschenmond…«, murmelte Sperling und legte das Holzbrett auf den Boden. »Vielleicht ist er schon zerbrochen. Er hat Schreckliches mitgemacht.«
»Trotzdem, wir müssen versuchen, ihn so schnell wie möglich zu finden. Wenn seine Seelen… verletzt sind, kann ich ihm vielleicht helfen.«
»Wir werden ihn finden.«
Sperling kniete sich nieder und stellte den linken Fuß auf das Holzbrett, um es festzuhalten. Dann platzierte er die Spitze des Holzstabes - eines Rundholzes, so lang wie sein Arm - in der vorbereiteten Vertiefung in der Mitte des flachen Bretts. Für gewöhnlich brauchte es zehn Herzschläge, bis der erste Funke aufglomm, aber an besonders kalten Tagen schien es immer viel länger zu dauern. Mit schnellen, gleichmäßigen Bewegungen begann er das Rundholz zwischen seinen Handflächen hin und her zu reiben. Nach etwa dreißig Herzschlägen stiegen durch die Hitze, die bei der Reibung des Hartholzstabes auf dem weicheren Holzbrett entstand, feine Rauchfahnen auf. Sperling drückte den Stab fester in die Vertiefung und trieb ihn zwischen den Handflächen noch schneller an. Schließlich leuchteten rote Funken auf. Rasch legte er den Stab beiseite und ließ die Funken vorsichtig auf die angekohlten Fasern gleiten. Dann blies er sie behutsam an, bis sie Feuer fingen, auf das Bett aus dürren Zweigen fielen und die Rinde entzündeten. Eine winzige Ramme züngelte empor, und bald entzündeten sich die ersten Zweige und lieferten den tanzenden Flammen Nahrung. Jetzt zog Sperling dickere Äste aus dem Holzhaufen und legte sie nach und nach über die Zweige, bis er ein ansehnliches Feuer zustande gebracht hatte.
Aschenmond rieb sich über den Rammen die Hände. »Sag mal, Sperling, glaubst du… ich meine… Polterer hofft doch bestimmt, dass Wilde Rose noch am Leben ist?«
»Ja, da bin ich ganz sicher.«
»Wenn das, was wir gehört haben, wahr ist, dann wird er nach Hause kommen und ihre Leiche finden… und du weißt doch, was der Händler erzählt hat… dass sie erschlagen wurde. Die Wölfe und Adler haben sich bestimmt schon über sie hergemacht…« Sie schüttelte den Kopf, unfähig, ihre Gedanken zu beenden. »Ich habe Angst, dass Polterer etwas Unüberlegtes tun könnte, Sperling.« »Ich weiß, was ich an seiner Stelle täte.« Die Äste waren zu Glutbrocken heruntergebrannt. Sperling nahm einen Stock, schob einige davon zur Seite, füllte den Teekessel mit Schnee und stellte ihn auf die glühenden Kohlen. »Wenn ich nach Hause käme und deine Leiche zwischen den verbrannten Überresten unserer Hütte fände, würde ich verrückt werden, Aschenmond. Total verrückt. Ich würde jedes Quäntchen Macht, das ich aus der Erde oder dem Himmel beziehen könnte, dazu benutzen, diejenigen zu bestrafen, die dir das angetan haben.«
Der Hass in seiner Stimme veranlasste Aschenmond,
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