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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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den hinteren Teil der Höhle, wo er sich resigniert an die kalte Felswand lehnte. »Lahmer Hirsch?«
    Morgenfrau kam immer näher und warf ihren Schein in die Höhle, so dass Lahmer Hirsch jetzt das glatte, asketische Gesicht von Feuerrabe erkennen konnte, das von schulterlangem, schwarzem Haar umrahmt wurde. Verzweifelte Hoffnung schimmerte in den Augen des jungen Kriegers. »Ja, was ist, Feuerrabe?«
    »Du kannst alles erreichen, Lahmer Hirsch. Wir alle wissen das. Du brauchst uns nur deine Befehle zu erteilen!«
    Selbst jetzt, nachdem er sein Volk in den Tod geführt hatte, konnte er sich nicht von den Legenden freimachen, die wie eine zweite Haut an ihm hafteten. Zwölf Winter lang war er der erfolgreichste Krieger des Buntfelsen-Klans gewesen, und seither erzählten sich seine Leute nächtelang Geschichten über seine Abenteuer und verwandelten seine hart erkämpften Siege in heilige Akte. Bis vor drei Nächten hatten sie alle fest daran geglaubt, dass er nur seinen Bogen anzulegen brauchte, und schon wären ihre Feinde besiegt.
    Die Vernichtung des Buntfelsendorfs hatte diesen Glauben jählings zerstört. Nur die einfachsten Gemüter hielten noch daran fest.
    »Also schön, Feuerrabe«, antwortete Lahmer Hirsch. »Ich erteile dir einen Befehl. Du und Laufente, ihr bleibt solange mit mir in dieser Höhle, bis ich euch durch ein Zeichen signalisiere« - er hob eine zur Faust geballten Hand in die Höhe - »loszurennen. Dann nehmt ihr den Wildpfad, der an den Felsen vorbei hinauf zur Anhöhe führt. Wir sahen ihn letzte Nacht. Erinnerst du dich?«
    »Ja. Ich erinnere mich!«
    »Wenn ihr oben an der Felswand angelangt seid, lauft ihr so schnell ihr könnt ins Erdendonner-Dorf und berichtet Silberner Sperling, was sich hier zugetragen hat. Sag ihm…« Sein Mund wurde staubtrocken. Er schluckte hart dagegen an. »Sag ihm, dass er Recht gehabt hat.«
    »Recht?«, fragte Feuerrabe verwirrt. »Womit hat er Recht gehabt?«
    »Wiederhole nur meine Worte, Junge!«, krächzte Lahmer Hirsch.
    Feuerrabes geweitete Augen verschwanden wieder in der Dunkelheit.
    Lahmer Hirsch wandte sich ab. Silberner Sperling war zwei Tage und Nächte gelaufen, und Lahmer Hirsch hatte ihn hämisch ausgelacht.
    Obgleich viele Mitglieder des Bärenvolks davon überzeugt waren, dass Silberner Sperling große spirituelle Macht besaß und ihn deshalb fürchteten, gab es unter dem Schildkrötenvolk doch etliche, die meinten, der alte Mann sei verrückt. Silberner Sperlings Ehefrau hatte sich von ihm scheiden lassen und erzählte nun jedem, der es hören wollte, was für ein Narr Silberner Sperling geworden sei. Kein Wunder, dass Lahmer Hirsch die Warnung Sperlings in den Wind geschlagen hatte. Sperlings Worte waren unzuverlässig. Er …
    »Lahmer Hirsch?«, begann Feuerrabe von Neuem. »Ich will keine Botschaften überbringen. Bitte! Ich will kämpfen. Ich bin ein Krieger! Ich …«
    »Du wirst tun, was ich dir sage, Feuerrabe.«
    Feuerrabes Unterkiefer sackte nach unten, dann hob er beide Fäuste und schüttelte sie - zum Zeichen des Gehorsams.
    Lahmer Hirsch ließ den Blick über das Tal wandern und versuchte dabei, über die Leichen und die feindlichen Krieger hinweg zu sehen. Er wollte nur die atemberaubende Schönheit seines letzten Morgens genießen.
    Das Sonnenlicht fiel in goldenen Streifen über die Baumwipfel und schimmerte in den flauschigen Nebelschwaden, die aus dem kleinen Bach aufstiegen. Er beobachtete, wie eine dieser Nebelzungen über den gefrorenen Boden kroch, den Stamm einer alten Eiche erklomm und sich dann träge in den höchsten Ästen ringelte wie eine Schlange, die sich in der Sonne aalt. Inzwischen waren die Vögel erwacht. Singend und zwitschernd hüpften sie von Ast zu Ast.
    Lahmer Hirsch holte tief Luft und hielt den Atem fest in den Lungen.
    »Glaubst du, dass Wilde Rose irgendwo dort draußen ist?«, fragte Schwarzer Stein. »Dass sie uns gerade beobachtet? Vielleicht mit ihrem Ehemann Pläne schmiedet, wie sie uns helfen kann?« Ohne es zu wollen, presste Lahmer Hirsch die Augen zusammen. Seine Trauer war offensichtlich. Leises Geflüster wehte durch die Höhle.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie meine Schwester hätte überleben sollen, Schwarzer Stein. Die Wanderer-Krieger haben ihre Hütte als erste überfallen. Sie haben das Falschgesicht entführt. Und sie haben… gewiss auch…«
    Die Vorstellung, dass sie möglicherweise für immer aus seinem Leben gegangen war, erfüllte ihn mit einer Leere, die so

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