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Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken

Titel: Vorzeitsaga 10 - Das Volk der Masken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gear & Gear
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Blauer Rabe selbst diese kurzen Ruhepausen zur Qual. Wahrscheinlich sah er genauso erschöpft aus, wie er sich fühlte. »Richte deiner Großmutter aus, dass ich hoffe, sie bald wieder zu sehen.«
    Zaunkönig nahm ihren Lederbeutel auf und warf ihn sich über die Schulter. »Gute Nacht, Onkel. Ich liebe dich.«
    »Sieh dich vor auf dem Rückweg, Kleines. Es wird bald dunkel sein.«
    Sie nickte. »Das werde ich. Bis morgen Früh!«, rief sie ihm noch hinterher, als sie wie ein Schneehase den Hügel hinaufhüpfte.
    Blauer Rabe beobachtete sie, bis sie hinter der Kuppe verschwunden war, dann nahm er die Schale mit dem gebratenen Gänsefleisch und kostete ein Stück. Der würzige Geschmack war Labsal für seine wunden Seelen. Der orangerote Schein, der den Himmel im Süden zu wärmen begann, kündete davon, dass im Wandererdorf die abendlichen Feuer angefacht worden waren.
    Er wünschte sich nichts sehnlicher, als jetzt an einem dieser Feuer zu sitzen.
    Die Abenddämmerung senkte sich wie ein grauer Schleier über den See und beraubte das Wasser seiner blauen Farbe.
    Zaunkönig versteckte sich hinter einem Felsbrocken, den Rücken an den kalten Stein gepresst, und beobachtete die Leute, die vom See die Anhöhe emporstiegen. Neben ihr lagen ein dickes Bündel, der Bogen und der Köcher mit Pfeilen, die sie untertags bereits dort versteckt hatte. Zwar rechnete sie nicht damit, dass sie den Bogen brauchen würde, jedenfalls nicht heute Abend, aber… aber möglicherweise…
    Vier alte Männer führten die Gruppe der Heimkehrenden an, die sich lachend und schwatzend über ihre Fangerfolge austauschten. Im Westen, gegenüber von Lost Hill, vergoldeten die letzten Sonnenstrahlen die dicken Bäuche der Wolkenriesen, bevor sie sich tiefblau färbten. Hinter den Männern stapften Sumpfbohne und Eistaucher den Pfad hinan. Zaunkönig konnte zwar ihre Gesichter nicht sehen, erkannte sie aber an den Stimmen.
    »Das brauchst du mir nicht zu erzählen«, wisperte Sumpfbohne. »Schließlich liegt mein Schlafplatz in derselben Ecke des Langhauses wie der seine. Die ganze Nacht muss ich mir anhören, wie er mit diesem stinkenden Schädel flüstert. Lange ertrage ich das nicht mehr!«
    »Was sagt er denn?«, fragte Eistaucher neugierig.
    »Meistens stößt er wilde Drohungen aus. Kannst du dir das vorstellen? Er droht einem Toten!« »Viele der Männer in meinem Langhaus hegen die Befürchtung, dass er den Verstand verloren hat. Wenn er seine fünfzig Krieger nicht um sich weiß, sagen sie, geht er schon beim Zwitschern eines Finken in Deckung!«
    »Er war schon immer ein sonderbarer Kauz. Als Junge pflegte er seinen Spielkameraden die Zähne auszuschlagen und diese dann immer bei sich zu tragen, um Macht über deren Seelen zu gewinnen. Und mit diesem stinkendem Schädel hat er wahrscheinlich das gleiche vor…«
    Ihre Stimmen verhallten langsam, als sie den Hügel weiter hinaufstiegen.
    Zaunkönig stand wie gebannt da und wagte kaum zu atmen. Der flackernde Schein, den das Feuer ihres Onkels warf, ließ die Schatten schlüpfrig und diffus erscheinen. Hinter Sumpfbohne und Eistaucher folgten noch etliche andere Dorfbewohner, die sich leise unterhielten. Zaunkönig kam es wie eine Ewigkeit vor, bis die Prozession endlich den Hügel erklommen hatte.
    Als die letzte Gestalt außer Sichtweite war, kam Zaunkönig hinter dem Felsen hervor und spähte um sich. Hier hatte sie den blutenden Jungen gesehen, und je dunkler es wurde, desto größer wurde ihre Angst. Aber sie musste es tun.
    So schnell es der verschneite Pfad zuließ, rannte sie zum See hinunter.
    Die Flammen schössen in die Höhe, als Blauer Rabe ein neues Holzscheit in die Glut warf. Er gähnte und streckte sich auf der Felldecke aus, den Kopf auf den abgewinkelten Arm gebettet. Beinahe im gleichen Augenblick fielen ihm die Augen zu.
    Aber Zaunkönig wartete noch. Selbst wenn er aufwachen sollte, würde ihn der grelle Schein des Feuers so blenden, dass er sie kaum wahrnehmen könnte. Aber sie durfte kein Risiko eingehen.
    Schnell knotete sie die Bänder ihrer Kapuze unter dem Kinn fest und schlich lautlos über den Schnee. Sie konnte jedes einzelne der borstigen Haare in den Handschuhen aus Wolfsfell spüren, die wie winzige Dornen an ihren Fingern zupften.
    Ungefähr zehn Schritte vor ihr lag Polterer auf dem Rücken und starrte hinauf zu den Wolkenriesen. Ihre schimmernden Körper bauschten sich und veränderten die Form, während sie hinter Eulen und anderen Nachtvögeln

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