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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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dort, in diesem luftigen, von Sonnenschein umfluteten Land, habe ich die Freiheit des Geistes entdeckt. Ich lernte Länder und Gebiete zu bereisen, die lediglich in meiner Fantasie existieren – und dennoch um vieles größer sind als jene, die du gesehen hast.«
    Seltsame Worte eines seltsamen Mannes. Kinga wurde der Diskussion müde. »Funktionieren die Maschinen so, wie sie es sollen?«, wechselte er neuerlich das Thema.
    »Ja. Die Dampfmaschinen ermüden bei weitem nicht so rasch wie die Arme des stärksten Kriegers. Lokosso und ich sorgen dafür, dass sie niemals anhalten. Sie betreiben die Mühle, bändigen das Wasser, bringen das Palisadentor dazu, sich bei Bedarf zu öffnen, schwemmen verunreinigte Abwässer aus Kilmalie, erleichtern uns allen das Leben.«
    »Wer wird die Reparatur- und Pflegearbeiten übernehmen, wenn Lokosso und du nicht mehr seid?«
    »Es wird immer Nachfolger geben. So wie Zhulu dich und Nabuu ausbildet, so warten junge, wissbegierige Wissenschaftler in der Wolkenstadt darauf, hierher versetzt zu werden und sich zu beweisen.«
    »Fremde?« Kinga lachte verächtlich. »Du weißt, dass sie hier nicht besonders gut gelitten sind.«
    »Du denkst engstirnig«, entgegnete Sambui. »Du selbst bekommst doch Vorurteile zu spüren, bloß weil deine Haut heller ist als die der meisten Kilmalier. Äußerliche Andersartigkeit sollte keinerlei Bedeutung besitzen. Menschen gehören lediglich anhand ihrer Leistungen beurteilt.«
    Kingas Griff schloss sich um sein Messer. Der Krüppel führte eine lose Zunge, war sich seiner Unberührbarkeit nur allzu sehr bewusst. Am liebsten hätte er ihm eine Lehre erteilt. Der Dampfmeister hatte kein Recht, ihn derart zu belehren!
    »Du erinnerst dich an Lakvan, die Tochter des alten Müllers Vanwijde?«, fragte Sambui gedankenverloren.
    »An das kleine schmächtige Geschöpf? Diesen Strich in der Landschaft?« Selbstverständlich erinnerte er sich an das kränkliche Wesen, das in seiner Kinder- und Jugendzeit Ziel bösartiger Scherze gewesen war. Lakvan hatte nichts an sich gehabt, dass einen Halbwüchsigen für sie einnehmen konnte. Eine Verliererin war sie gewesen, die beim ersten Anzeichen von Aufregung und Risiko zurück zu ihrem Vater geflüchtet war. Vor zwei Jahren war sie verschwunden, nach dem Tod des Müllers, war von einem Wanderlehrer aufgenommen worden und mit unbekanntem Ziel von hier verschwunden.
    »Ich habe Nachricht von ihr erhalten«, fuhr Sambui fort. »Lakvan ist Gesellin in einer der bekanntesten Dampfmaschinen-Manufakturen und macht wohl noch in diesem Mond ihren Meister. Ihr Ruhm reicht weit. Sie hat ein neues, gebogenes Schaufelrad entwickelt, das die Energie seiner Antriebswelle um zwanzig bis dreißig Prozent besser aufnimmt und für enorme Verbesserungen zum Beispiel im Schiffsbau sorgt.«
    Kinga verstand kein Wort und schwieg. All diese Fremdwörter verwirrten ihn.
    »Man munkelt, dass de Rozier höchstselbst sie in seinen Beraterstab übernehmen will«, fuhr Sambui fort. »Wenn wir sie loseisen und hierher zurückbringen könnten, würde dies eine enorme Erleichterung für Lokosso und mich bedeuten.«
    »Ich glaube nicht, dass sie sich nach Kilmalie zurücksehnt.« Kinga musste kichern. Die Erinnerungen an all die vielen bösen Streiche, die sie dem dünnen Mädchen angetan hatten, kehrten plötzlich wieder.
    »Vielleicht doch.« Sambui blickte ihn nachdenklich an. »Vielleicht hat sie sich – und uns – etwas zu beweisen.«
    Die Sonne näherte sich dem Horizont und tauchte das Land in mildes Rotlicht. Raaven, die in den Brotbäumen hockten, begannen ihr allabendliches Schimpfkonzert, mit dem sie hofften, tierische Beute aus den Erdlöchern zu locken. Die Brunftschreie der Eber erklangen auch heute. Irgendwo im kleinen Wäldchen im Westen stritten sie und kämpften mit ihren breiten Hornschaufeln gegeneinander, bis bloß noch einer von ihnen auf den Beinen war und sich über seine weibliche Beute hermachen durfte.
    »Es wird Zeit«, sagte Sambui. »Hilf mir bitte von der Palisade herunter.«
    Kinga packte ihn an der Hüfte und trug den Dampfmeister wie ein kleines Kind die Treppen hinab. Es erschien ihm wie ein Wunder, dass der Mann mit seinem verkrüppelten Bein den Weg hier herauf geschafft hatte. Er ließ ihn grob auf dem sandigen Boden aufsetzen, sodass Sambui den Schmerzschrei nur mit Mühe unterdrücken konnte.
    Halbwüchsige spielten im Schatten des Palisadenzauns mit einem alten Ball aus Plastiflex. Im ganzen Land lagen

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