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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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»Irgendwann werden die Daams untereinander zu reden beginnen, und das Ausmaß der von dir verursachten Schweinereien wird ans Tageslicht kommen.«
    »Mag sein, dass ich schwach bin. Aber die Daams machen es mir nur allzu leicht…«
    Eine Staubfahne erregte ihre Aufmerksamkeit. Irgendetwas oder -jemand näherte sich aus Kilmalie. Kinga hielt eine Hand schützend vor sich gegen die Sonne und kniff die Augen zusammen.
    »Es ist der junge Bukulu auf einem Dampfrad«, sagte er schließlich.
    Nabuu und Zhulu richteten sich nun ebenfalls auf. Boten um diese Tageszeit bedeuteten selten gute Nachrichten.
    Minuten später hatte Bukulu den Brotbaum erreicht. Sein dreirädriges Gefährt ächzte und schnaufte laut, als er sich aus dem hart gepolsterten Ledersessel schwang und die drei Stufen herab zum Erdboden nahm. Aus dem Wasserschlot der Maschine drangen dunkle Dampfwolken, lockere Schrauben schepperten in ihren Halterungen und eine gerissene Speiche des mannshohen Vorderrades kratzte lautstark über einen Stein.
    »Macht’s Spaß?«, fragte Kinga grinsend.
    »Wenn wir endlich ein besseres Wegesystem errichten würden, wie es de Rozier fordert, würde es mir besser gehen.« Der Junge, der sich an der Grenze zum Mannstum befand und dem das Stammeszeichen des Raaven bereits in Umrissen auf die Stirn tätowiert worden war, ächzte und hielt sich mit schmerzerfülltem Gesicht den Rücken.
    »Dafür ist kein Geld da.« Kinga reichte ihm den Wasserkrug.
    »Natürlich sind genügend Jeandors vorhanden.« Bukulu trank gierig. »Wir alle wissen das. Aber es ist dem Dorfrat ja wichtiger, weiteres Land aufzukaufen, statt das vorhandene besser zu entwickeln.«
    »Hüte deine Zunge!« Kinga nahm ihm den Krug ab, schubste den Jungen weg und ballte die Faust, als wolle er zuschlagen. »Wer, glaubst du, dass du bist? Warte gefälligst, bis du die Stammeszeichen eingeprägt bekommst. Erst dann darfst du derartige Dinge in der Öffentlichkeit sagen.«
    Bukulu sprang auf. Für einen Moment sah es so aus, also wolle er sich dem wesentlich kräftigeren Krieger stellen, überlegte es sich aber anders. Mit gesenktem Kopf kniete er sich nieder und sprach rituelle Entschuldigungsworte.
    Nachdem Kinga, Nabuu und Zhulu genickt und akzeptiert hatten, erhob er sich und sprach weiter: »Ich wurde von Fakalusa hierher geschickt. Sie lässt ausrichten, dass es Probleme gibt. Ihr sollt die Arbeit unterbrechen und so rasch wie möglich zur Versammlungshütte kommen.«
    »Hat sie gesagt, um welche Art von Problemen es geht?«, fragte Kinga.
    »Nein.« Bukulu grinste spitzbübisch. »Aber ich besitze gute Ohren, und ich war – selbstverständlich rein zufällig – in der Nähe, als ein Bote aus dem Westen kommend bei ihr vorsprach.«
    »Selbstverständlich. Und was hast du zu hören bekommen?«
    »Nun – Kilmalie wird in Bälde hohen Besuch erhalten. Lourdes hat ihr Kommen mitsamt Gefolge angekündigt.«
    Lourdes? Eine der Töchter de Roziers und zugleich halbe Besitzerin der Himmelsstadt Avignon-à-l’Hauteur?
    Die drei Krieger blickten sich betroffen an. Die Probleme, die mit dem Sturm einen Anfang genommen hatten, fanden eine Fortsetzung. Sollte Sambui, der Dampfmeister, mit seinen düsteren Vorahnungen etwa Recht behalten?
    ***
    »Wo sind meine hyazinthfarbenen Ärmelpompons, wo Puderquaste und Augenbrauenzupfer?«, rief Lourdes. »Ist es denn nicht möglich, dass man meine Sachen griffbereit hält, wenn ich sie benötige?«
    »Gutes Personal ist schrecklich schwer zu bekommen, Mademoiselle!«, gab Chérie zur Antwort. Er kam seiner Herrin buckelnd entgegen, tänzelte in kurzen Schritten um sie herum. »Wenn ich so könnte, wie ich wollte, würde ich all diese Maden von den Vertäuungen der Stadt hinab werfen lassen…«
    »Du kannst aber nicht so, wie du willst, denn ich habe hier das Sagen!« Lourdes stieß Chéries Arm beiseite. Soeben hatte sich der Alte mit ihren Haaren beschäftigen, ihre prächtig schlechte Laune wegmassieren wollen. »Und ich mag es überhaupt nicht, wenn du die eigene Verantwortung auf deine Untergebenen abwälzen willst.«
    »Verzeihen Sie mir, meine Holde. Natürlich trage ich die Schuld. Ich werde mich also augenblicklich entfernen und einen rituellen Freitod Ihrer Wahl suchen, um die Schande von meinem Namen zu waschen…«
    »Ja, das wirst du«, sagte Lourdes, »allerdings nicht sofort. Ich wünsche, dass du mir zuerst hilfst, aus dem Bett zu kommen, einen Plan für mein unendlich dröges Tagwerk zu entwickeln und… und

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