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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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tausende von ihnen. Seltsame Zeichen wie »fifa.com« oder »Soccer World Cup 2010« waren ihnen aufgeprägt, die wohl aus der Zeit vor der Katastrophe stammten.
    »Den Rest des Weges wirst du wohl alleine schaffen«, sagte Kinga, drehte sich um und marschierte grußlos davon. Er hatte es plötzlich eilig, den Dampfmeister zu verlassen. Abergläubische Seelen meinten, dass er und Lokosso nichts anderes als Hexer waren, die in den Nachtstunden zu größter Entfaltung fanden.
    Ein Gedanke wollte ihm nicht aus seinem Kopf gehen, während er zurück zu Nabuus und seiner Junggesellenhütte eilte: Wenn Sambui ein derart gutes Gefühl besaß, wenn er gelernt hatte, die Dinge in seiner Umgebung zu interpretieren – wieso wusste er dann nicht, wie es in ihm aussah?
    Oder durchschaute er ihn ohnehin und schwieg… aus Angst?
    ***
    Zhulus Disziplin wirkte unmenschlich. Mit bleichem Gesicht hielt er sich auf Thotto aufrecht und ließ den Viertwoorm eine Erntereihe nach der anderen abbeißen.
    Schweißbedeckte Helfer sangen Lieder und arbeiteten im Rhythmus, um die Erträge eines weiteren Erntefeldes einzubringen.
    Kinga gab dem Quarting gemeinsam mit Xhusa wie in den Tagen zuvor die Flankendeckung. Sein Rücken schmerzte von den vielen Schlägen des unruhigen Ritts. Zhulu musste unter elendigen Qualen leiden.
    »Pause!«, rief Nabuu schließlich. Der Freund hatte mittlerweile begonnen, brach liegendes Land für die nächste Aussaat vorzubereiten. Wolken von Schweißflocken bedeckten die Seiten seiner drei Tiere. Ihr Atem kam rasch und unregelmäßig.
    Alle Beteiligten an der Ernte atmeten kollektiv auf. Seit dem Morgengrauen waren sie auf den Beinen, um den wunderschönen Tag so gut es ging zu nutzen. Noch steckte ihnen der Schrecken, den der Sturm verursacht hatte, in den Köpfen.
    Kinga glitt von Xhusa herab. Mit einem letzten Hackenhieb gab er ihn sowie den Erst- und Zweitwoorm frei. In einer Reihe huschten sie davon, in Richtung eines kleinen Wäldchens, um dort abzutauchen und sich am Wurzelwerk gütlich zu tun. Nabuus Tiere folgten ihnen. Sie würden etwas abseits lagern. Sobald eine Einheit gefestigt war, blieben sie trotz mancher Streitigkeiten für den Rest ihres Lebens so nahe wie möglich beisammen. Thotto, der riesige Viertwoorm, folgte seinen Artgenossen mit gemächlichen Paddelbewegungen. In würdevollem Abstand würde er über die kleine Herde wachen.
    Zhulu kam mit steifen Schritten näher. Sein Gesicht war heute in ein seltsames Gestell gezwungen, das ihm nicht erlaubte, auch nur eine Miene zu verziehen. Vietsge hatte ihm diese Maske aufgeschwatzt und ihm versprochen, dass er deutlich weniger Schmerzen während der Arbeit verspüren würde.
    »Geht’s noch?«, fragte Kinga.
    Zhulu nickte. Er setzte sich in den Schatten eines weit ausladenden Brotbaums und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm. »Wr schaffns heut«, presste er zwischen Draht- und Holzteilen hervor. »Mrgen kümmrn wr ns um die Lattichflder.«
    Kinga unterdrückte einen Seufzer. Konnte es der Krieger denn nicht ein wenig ruhiger angehen? Alles war friedlich. Das Wetterhoch hielt sicherlich noch mehrere Tage an.
    Nabuu brachte die am Morgen im kühlen Erdboden vergrabene Pausenbox zum Vorschein und schleppte sie herbei. Während die Erntehelfer in der prallen Sonne aßen, gebührte ihnen der Platz im Schatten des Brotbaums.
    Kinga griff zu Blattteig, gewürzt mit Sintelkernen und mit herrlich fruchtigen Maas-Stückchen gefüllt. Ein Krug voll schalen Wassers würde ihren Durst stillen, und zum Verdauen hatten die Stadt-Daamen mehrere gebrochene Platten Kauhenning beigelegt. Für Zhulu blieb nichts anderes als ein kühles Würzsüppchen, das er durch einen Strohhalm trinken musste.
    »Ich könnte auf der Stelle einschlafen«, flüsterte Kinga dem Freund zu.
    »Warst du in der Nacht etwa wieder bei Sintala?«
    »Sintala? Wer ist das?« Er grinste. »Wusstest du etwa nicht, dass ihre Schwägerin derzeit in Kilmalie auf Besuch ist?«
    »Korgie?« Nabuu riss die Augen weit auf. Mit einem Seitenblick versicherte er sich, dass Zhulu nichts von ihrer leise geflüsterten Unterhaltung mitbekam. »Aber die ist doch diesem Palisadenbauer aus Lookeijn versprochen…«
    »Na und? Die Daam hatte jedenfalls keinerlei Bedenken, ihren Liebhaber für ein paar Tage zu vergessen und einem armen, schwer verletzten Triping ihre Zuneigung zu schenken.«
    »Deine Moralvorstellungen werden eines Tages Schande über ganz Kilmalie bringen.« Nabuu schüttelte den Kopf.

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