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VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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nächstliegenden Gemeinden, den er immer wieder durch lose Reden in Reisewirtshäusern angefacht hatte. Dies alles hatte er eingefädelt, und dies hatte wohl letztendlich dazu geführt, dass sich die leibliche Tochter und Statthalterin de Roziers samt Gefolge bald in Kilmalie einfinden würde.
    Xhusa benahm sich heute besonders lebhaft. Der Drittwoorm benötigte Auslauf. Kinga würde allerdings während der nächsten Tage kaum dazu kommen, das Tier ausreichend zu bewegen.
    Gonho kicherte.
    Jeder in Kilmalie wusste, welche Aufgabe auf den jungen Triping zukam. Manche junge Daam trug seitdem ihre Verachtung offen zur Schau. Die meisten Städter allerdings zeigten Belustigung über den schweren Opfergang, den Kinga zu absolvieren hatte.
    Gonho legte seinen Kopf nahe an Xhusas Seite. »Bald gehörst du mir, mein Lieber«, flüsterte er. »Aber zuerst müssen die Städter ihre Schulden bei mir begleichen.«
    ***
    Alles machte sich für den Empfang der Hohen Dame bereit. Dorfplatz, Gemeindehütte und die Woormställe waren gereinigt; der Anschein von Armut und Kargheit blieb allerdings gewahrt. Kleine Kinder lernten in aller Hast Begrüßungsgedichte auswendig, und letzte Blumensträuße wurden geflochten.
    Ein Erdstoß erschütterte den Boden. Kinga blickte sich irritiert um. Auch die Stadtwachen wirkten erschrocken.
    In unregelmäßigen Abständen, so erzählten die alten Weiber, droschen Riesengötter mit ihren schweren Waffen auf jene Steinklumpen ein, die die Menschen »Berge« nannten. Manchmal entsprang ein Funken einem der fürchterlichen Hiebe und wurde zu einem Blitz, der die Götter wiederum so sehr in Rage brachte, dass sie lautstark zu fluchen begannen – und derart für »Donner« sorgten. In überaus seltenen Fällen, so sagte man, würden sich die sonst so duldsamen Götter der Unterwelt zur Wehr setzen, von unten her gegen die Erdhülle stoßen und schließlich Feuer an die Oberfläche spucken.
    Ammenmärchen, sagte sich Kinga. Ein jeder aufgeklärte Kilmalie weiß, dass es gar keine Riesengötter gibt. Es sind die Voodoo-Zauberer, die ihre Fetische in die Erde treten und so für Unruhe im Boden sorgen.
    Er zog den Fellmantel fröstelnd über die Schulter. Die Nächte brachten kühlen Wind mit sich und kündeten vom nahenden Herbst.
    »Sie kommen!«, verkündete ein Wächter aufgeregt vom Palisadenzaun. »Ich kann zwei, nein, drei Witveer erkennen!«
    Witveer… Ganz besondere Tiere für ganz besondere Gäste. In manchen Gegenden galten sie aufgrund ihres weißen Federkleids als heilig, als unantastbar . Nur einer kleinen, in besonderen Zeremonien geweihten Schar von Menschen war es erlaubt, mit ihnen zu reisen.
    Kinga kniff die Augen zusammen und suchte den Horizont in der angegebenen Richtung ab. Drei winzige Punkte konnte er gegen den goldroten Hintergrund der untergehenden Sonne erkennen. Sie näherten sich, entpuppten sich bald als weiße Flugtiere mit weiten, elegant geschwungenen Flügeln. Die langen Hälse reckten sich weit in den Wind. Oberhalb der geschwungenen Schnäbel glänzten schwarze, bösartige Augen.
    Das vorderste Tier kreischte laut. Es korrigierte seinen Flügelschlag ein wenig und glitt in eine weite Rechtskurve. Die beiden anderen Witveer folgten ohne zu zögern.
    »Auf welchem der Tiere reist die Prinzessin?«, fragte Kinga.
    »Der Tradition gemäß auf dem mittleren«, gab Zhulu zur Antwort.
    Außerhalb des Palisadenzauns der Stadt waren drei gleich große Nahrungshaufen neben den Richtpflöcken für die Witveer vorbereitet worden. Allmählich wanderten die Kilmalier vor die Tore und bereiteten sich für die geplante Begrüßungszeremonie vor.
    Kinga schloss sich seinen Freunden und Kollegen an. Nabuu knuffte ihm vergnügt in die Seite, während Zhulu seinen berufsmäßigen Ernst vor sich her trug. Gonho, der ewig griesgrämige Zureiter der Zweitwoorms, kickte desinteressiert einen Stein beiseite und trabte ein paar Schritte hinterher.
    Ein seltsamer Kerl ist das, dachte Kinga. Er redet wenig und sucht auch keinerlei Ansprache. Aber man kann sich immer auf ihn verlassen…
    Der Zug wirkte gespenstisch. Frauen und Männer, ruhig und mit angespannten Gesichtern, marschierten vor das Stadttor. Erste Fackeln wurden angezündet, um den drei Witveern die Landung zusätzlich zu erleichtern.
    Omoko, der das Kommando über das »Unternehmen Steuerersparnis« übernommen hatte, winkte mit seiner Fackel. Augenblicklich brachen die Kilmalier in Hochrufe und lauten Jubel aus. Frauen warfen

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