VT01 - Eine Wunde in der Erde
schwieg die Prinzessin. Denn um diese musste es sich wohl handeln.
»Sie hört sich an wie eine Mischung aus einem Maelwoorm mit eingewachsener Paddelflosse und einer brünftigen Fluglaus. Das ist nicht gut, gar nicht gut… Ich denke, ich werde etwas spazieren gehen …«
»Auf gar keinen Fall!« Neuerlich hielt ihn Nabuu fest. »Wir alle zählen auf dich. Das Weib ist imstande, ihre Drohung wahr zu machen und Kilmalie zu vernichten. Du wirst gefälligst das tun, was man von dir verlangt.«
Lomboko erreichte den Fuß des Landegestells. Die Dorfältesten fielen vor dem Raffzahn auf die Knie und hauchten ihm unterwürfig Küsse auf die ausgestreckte Rechte.
Hinter ihm kamen zwei weitere Soldaten in bunten Fantasie-Uniformen herabgestolpert; dann ein lächerlich wirkender Alter mit dünnen Beinchen und einem weiß geschminkten Gesicht.
Schließlich, mit schwerem Schritt, die Prinzessin.
Tam. Tam. Tam.
Sie ließ sich schwer hinabfallen, stützte sich mit vollem Gewicht auf das ächzende Geländer.
Tam. Tam. Tam.
»Da bin ich also«, sagte sie, als sie den Erdboden erreicht hatte, grüßte mit abwertenden Handbewegungen die Honoratioren, drehte sich einmal um und sagte schließlich zu ihrem Begleiter: »Das war’s dann wohl. Lomboko kann den Rest erledigen, und wir fliegen wieder nach Hause.«
Der Alte umtrippelte Lourdes, ordnete mit hastigen Bewegungen ihr Haar und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Hier schlafen?«, brüllte die Prinzessin entsetzt auf und röchelte so laut hinterher, dass die Maelwoorms in den Schlafställen ihre Missbilligung lautstark zum Ausdruck brachten.
»Beruhigt euch bitte, Mademoiselle!« Neuerlich begann der Geschminkte seinen seltsamen Tanz, streichelte der Prinzessin immer wieder begütigend durchs Haar. »Das Zeremoniell erfordert es.«
Kinga konnte die Knuffe in seinem Rücken nicht mehr ignorieren. Zhulu, Nabuu und all die anderen Verräter schoben ihn vorwärts, auf das weibliche Monstrum zu.
»Ge… gestattet mir, dass ich mich vorstelle«, sagte Kinga heiser. Er ignorierte die Wächter der Prinzessin, stellte sich breitbeinig hin. »Ich bin Kinga, Krieger von Kilmalie, und Euch für die Dauer Eures Aufenthalts zugeteilt. Ich bin bereit, mich jedem Eurer Wünsche zu unterwerfen. Ich werde alles unternehmen, um Euch diese Tage so angenehm wie möglich zu gestalten.«
Was für jämmerliche Worte! Nein – so ging das nicht; er musste die Sache anders angehen.
Also verdrängte er das Bild der Prinzessin aus seinen Gedanken und erinnerte sich stattdessen an Sintalas Schwägerin. Dieses weiche und anschmiegsame Geschöpf, mit der er sich während der letzten Nächte vergnügt hatte, musste nun als gedanklicher Ersatz herhalten.
Ja; es funktionierte! Über das feiste Monstrum legten sich die Umrisse eines anmutigen, sanft lächelnden Mädchens.
Es lebe die Fantasie!, dachte Kinga, atmete tief durch, spannte die Muskeln an und warf sich in Pose. Nun überragte er die Wächter um gut eine Handbreit.
»Ein Bauernbursche, recht gut aussehend«, murmelte der Berater der Prinzessin. »Mit ein wenig Geduld und Spucke könnte ich etwas aus ihm machen. Hm…«
»Tritt beiseite!«, herrschte ihn Lourdes an. Sie scheuchte ihre Soldaten weg, kam mit breitem Schritt näher. »Du sollst mir also die Tage hier verschönern?«
Mit den schrill gekreischten Worten verschwand die Illusion. »So ist es«, presste Kinga zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Es würde mich freuen, Euch heute und morgen zu unterhalten.«
Unter der dicken Schminkeschicht der Prinzessin kamen Aknepusteln zum Vorschein, unter dem Ansatz ihrer grauen Perücke schienen sich kleine Krabbeltiere zu bewegen.
»Heute wird die Prinzessin ruhen«, mischte sich ihr Berater ein und trat zwischen die beiden. »Sie ist müde und wünscht im vornehmsten Haus untergebracht zu werden. Morgen, während Lomboko die Bücher Kilmalies überprüft, mögest du der Gnädigsten zu Diensten sein.«
»Nur allzu gern«, sagte Kinga hastig und trat einen Schritt zurück. »Es ist alles für Euch vorbereitet, Mademoiselle. Ich bin mir sicher, Ihr werdet Euch hier wohl fühlen.«
»Das Gefühl habe ich schön langsam auch«, gab die Prinzessin zur Antwort.
Sie leckte sich über ihre Lippen und starrte ungeniert auf seine Leibesmitte.
Kinga blieb für einen Moment unsicher stehen, reichte ihr schließlich galant den Arm. »Darf ich Euch zu Eurer Hütte geleiten?«, fragte er.
Lourdes zögerte kurz, blickte fragend ihren Berater
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