VT05 - Tag der Vernichtung
einen Nachrichtensender einschalten lassen und erfahren, dass nun kaum noch etwas den Kometen aufhalten konnte.
Daraufhin war ihm klar geworden, dass diese Weihnachtsfeier nach menschlichem Ermessen für lange Zeit die letzte gewesen sein dürfte, zu der er Flugente mit Rotkraut und Leberknödeln, Weißbier und Rotwein servieren und Geschenke machen konnte. Er tobte und ordnete eine kollektive Verfluchung des Kometen an. Nyanga sollte für den liturgischen Rahmen sorgen.
Sie fuhren zur Erdoberfläche hinauf und traten aus dem flachen Kuppelbau über dem Liftschacht und den Garagen. Der glitzernde Sternenhimmel spannte sich über dem Land. Leider konnte man den Kometen noch nicht mit bloßem Auge erkennen, was zu diesem Zeitpunkt auch bei besten Sichtverhältnissen nicht möglich war. Zu Weihnachten 2011 war »Christopher-Floyd« schließlich noch über hundertfünfzig Millionen Kilometer von der Erde entfernt.
Der anwesende Astronom verschwieg diese Tatsache, um den erzürnten Präsidenten nicht noch mehr zu reizen.
Stattdessen suchte er den Himmel mit einem starken Feldstecher ab und betete zu Gott, dass er fündig würde.
Inzwischen errichteten einige Männer vor Nyanga und ihrer Schnapsflasche einen Holzstoß, auf dem sie Fotos des Kometen verbrennen und dabei ihren Voodoozauber zelebrieren konnte. Der Präsident selbst schüttelte bereits die Fäuste zum Sternenhimmel hinauf und beschimpfte Gott und
»Christopher-Floyd«.
In diesem Augenblick ertönten Stimmen vom Stahlgittertor her. Das Palaver in der Festgesellschaft legte sich nach und nach und alle spähten zum Tor. Deutlicher hörten man nun, dass dort jemand rief.
Van der Groot verstand sogar, was am Tor gerufen wurde, denn die nächtlichen Wanderer davor sprachen Englisch. Sie riefen: »Lasst uns rein!« und »Wohnen hier Knox und Eusebia?« Knox wollte loslaufen, doch van der Groot hielt ihn am Arm fest.
Eddie aktivierte die Flutlichtanlage, und das Gelände und das Tor wurden in grelles Licht getaucht. Etwa dreißig abgerissene Gestalten standen davor. »Kommen aus dem Vereinigten Königreich! Sind durch halb Afrika gestiefelt, um hierher zu kommen! Fliegt ja kaum noch ein Flugzeug, fährt ja kaum noch ein Zug! Lasst uns rein, okay?«
»Es sind Engländer«, übersetzte Eusebia. »Freunde von Knox und mir. Ich habe ihnen geschrieben, dass…«
»Weg mit euch!«, brüllte Präsident Karl. »Verschwindet, Engländer!« Er fuchtelte seinen Leuten und kommandierte sie zum Tor. »Verjagt dieses Ausländerpack!« An der Spitze ihrer Sicherheitsmänner rannten Fred und Bodo zum Stahlgittertor und schossen in die Luft dabei.
***
Kilimandscharo, 26. Januar 2012
Es war ein Donnerstag, irgendwann um die Mittagszeit.
Percival würde diesen Augenblick sein ganzes Leben lang nicht vergessen; und das sollte noch länger dauern, als er es sich an diesem letzten 26. Januar vor der Apokalypse noch vorstellen konnte.
Irgendwie war ja jeder Tag ein letzter Tag zu dieser Zeit.
Es hatte ein paar Schlägereien gegeben zwischen den Jugendlichen aus Europa und ein paar hundert Flüchtlingen aus Kenia, ebenfalls ziemlich jung. Es ging um Frauen oder Drogen oder Fleisch, wer wollte das in all dem Chaos noch mit letzter Sicherheit sagen.
Percival kannte ungefähr fünf Versionen des Anlasses für diesen Konflikt. Die Europäer schnitten in jeder schlechter ab als die Afrikaner. Jedenfalls kamen die beiden jungen Männer mit weißen Fahnen, die sie aus Unterhemden und Autoantennen gebastelt hatten, zum Eingang des Höhlendorfes herauf. Es waren Europäer, Abgesandte der Firegods, wie sie ihre Gruppe nannten, und eigentlich hätte es Percival da schon dämmern müssen.
»Was soll der Stress?«, sagte der Ältere der beiden, als sie den Eingang der Höhle erreicht hatten.
Vera und Peter van Dam, Percival, Leila Dark, Maren Verbeek und die Deutschen der Safarigruppe belauerten sie schweigend. »Was wollt ihr?«, fragte Vera van Dam. Sie und Percival waren die anerkannten Sprecher und Köpfe der Gruppe.
»Ich bin Donald, das hier ist Dagobert. Unser Anführer Carlo schickt uns. Er findet, wir sollten zusammenhalten.«
»Ihr seid Engländer?« Percival trat vor.
»Die meisten von uns, ja.« Der junge Bursche sah ihn überrascht an. »Carlo schlägt vor, dass wir uns zusammensetzen und einen Schlachtplan entwerfen.«
»Wieso Schlachtplan?« Demonstrativ stellte Peter van Dam sich neben Percival und Vera. Sein Verhältnis zu dem Holländer war inzwischen mehr als
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