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VT07 - Niemandes Welt

VT07 - Niemandes Welt

Titel: VT07 - Niemandes Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
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zu vernehmen, das aus der Spalte drang. Es folgte ein Stöhnen, dann ein heiserer Schrei. Die Gardisten sprangen auf. Urplötzlich war die Stimmung umgeschlagen. Über der Gruppe lag jetzt wieder jener Hauch von Beklemmung, der sie fast den ganzen Weg durch das Labyrinth begleitet hatte.
    Der Kriegsminister untersuchte die Spalte. Sie war viel zu schmal, als dass ein Gruh hätte hindurchgelangen können. Dennoch – das Rascheln hatte sich mittlerweile zu einem Kratzen gesteigert… wie von Fingernägeln, die über nackten Fels schabten…
    »Gestank! Schrecklicher Gruh-Gestank!«, heulte Niemand.
    »Gruuuh!«, erklang es dumpf und kaum hörbar durch die Spalte. Der Verkrüppelte fuhr zurück.
    Hauptmann Cris drängte durch die Gardisten, bis er den Spalt erreicht hatte. Er legte das Ohr an den Fels. »Ich höre nichts mehr, Herr Minister.«
    Tatsächlich war das Rascheln und Schaben verstummt. Nabuu glaubte für eine Sekunde noch leise, sich entfernende Schritte von nackten Füßen auf Fels zu vernehmen, dann waren auch diese verstummt. Zurück blieb nichts als die Stille, die nur von dem geräuschvollen Atmen des Dürren unterbrochen wurde.
    »Es ist anders!«, flüsterte er. »Anders. Anders. Kein Gruh.«
    »Du meinst, das war kein Gruh?«, hakte Wabo nach.
    »Wir haben doch deutlich gehört, dass es ein Gruh war«, sagte Hauptmann Cris. »Als er uns hörte, hat er die Flucht ergriffen. Offenbar haben die Grauhäutigen inzwischen Angst vor uns!«
    Niemand schüttelte den Kopf. »Gruh keine Angst! Können nichts fühlen.«
    Sie lauschten noch eine Zeitlang, doch es blieb totenstill. Schließlich gab Wabo Ngaaba den Befehl weiterzumarschieren.
    Nabuu blickte noch einmal auf den Felsspalt. Er hatte das Gefühl, dass sie, ohne es zu wissen, dem Tod nur um Haaresbreite entronnen waren.
    ***
    ***
    ***
    »Das ist alles?« Marie starrte auf den Holzkrug, in dem fauliges Regenwasser dümpelte.
    »Mehr Wasser gibt's am Fluss«, erwiderte Mala zickig und fügte mit spitzer Stimme hinzu: »Aber da würde ich erst im Morgengrauen wieder hingehen, wenn ich du wäre.« Mit diesen Worten ließ sie Marie stehen und kümmerte sich wieder um die Kinder, die dicht gedrängt auf den Strohmatratzen Platz genommen hatten.
    Marie spürte Dutzende neugierige Augen auf sich gerichtet. Sie hob den Krug an und wollte nach draußen gehen.
    »Wo willst du hin?«, fuhr Mala sie an.
    »Mich waschen«, erwiderte Marie.
    »Das kannst du auch hier drin erledigen. Oder willst du dich von den Gruh fressen lassen?«
    Die Kinder kicherten.
    Marie stellte den Krug wieder hin. Sie war ratlos. Einerseits genierte sie sich, aber schlimmer als das Schamgefühl war der widerliche Gestank des Gruhbluts auf ihrer Kleidung. Schweren Herzens entkleidete sie sich und tunkte die Kleider in die Brühe, die sofort eine dunkle Färbung annahm.
    Eine Viertelstunde später trug sie die klammen Kleider bereits wieder am Körper und schnallte sich den Gürtel mit der Schwertscheide um. Die Armbrust und den Pfeilköcher, die ohne Munition nur eine nutzlose Last waren, ließ sie zurück.
    Im Zentrum des Dorfes knackten ein paar Holzscheite in einem Feuer, das die Lehmhütten und die vereinzelten Affenbrotbäume dahinter in ein unruhiges Licht tauchte. Nur schemenhaft konnte Marie ein paar menschliche Gestalten erkennen, die sich im Schatten der Häuser verborgen hielten.
    Im ersten Augenblick fürchtete sie, dass es sich um Gruh handeln könnte, aber dann erkannte sie, dass es Männer aus dem Dorf waren, bis an die Zähne bewaffnet. Auch Nooga befand sich unter ihnen. Marie identifizierte ihn anhand der eigenwilligen Beinkleidung, die offenbar typisch für Woormreiter war. Er stand allein an den Stamm eines Affenbrotbaumes gelehnt und starrte mit düsterer Miene in die Finsternis außerhalb des Dorfes. Sie ging zu ihm hin.
    »Meistens kommen sie nachts«, sagte er, ohne sich umzudrehen. Er scharrte mit den Füßen im Sand, zog ein Messer aus der Scheide am Gürtel und ließ die scharfe Klinge sanft über die Handinnenfläche gleiten.
    »Sind die Kinder deshalb noch wach?«, erkundigte sich Marie. »Es ist ja schon fast wieder Tag.«
    »Die Kinder haben Angst zu schlafen«, erwiderte Nooga. »Sie lachen und rufen, aber sie haben Dinge gesehen, die sie bis in ihre Träume verfolgen.«
    »Wie viele Gruh hast du schon getötet?«, fragte Marie.
    Er hob die Schultern. »Ein paar Dutzend vielleicht. Sie sind einfach zu töten, wenn sie allein sind – und wenn man weiß, wie man

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