VT10 - Tod im Blut
Körper erfasst hatte und ihn bereit hielt für eine panische Flucht. Sie übertrug sich auf die Banzulu.
Ngomane spürte förmlich, wie sich seine Männer plötzlich strafften, die Jagdspeere nachfassten, zu der Raubkatze hochsahen. Er hatte keine Möglichkeit, einzugreifen. Ruhe bewahren!, wollte er rufen. Seht dem Ulungu nur nicht in die Augen! Das ging natürlich nicht, und von einem Moment auf den nächsten war die Zeit auch schon abgelaufen. Jede Warnung wäre zu spät gekommen. Ab jetzt konnte Ngomane nur noch beten, dass alles glatt lief.
Der Ulungu wartete nicht ab, was seine Beute vorhatte. Das Tier stand direkt unter seinem Baum; es war ein riskanter Sprung, doch er wagte ihn. Noch im Flug spreizte er die Zehen, fuhr seine Krallen aus. Er war ein Furcht erregender Anblick, dieser silbergraue Lepaad mit dem schwarzen Gesicht, wie er voll mörderischer Entschlossenheit auf den Bock herunter stieß. Für Tenga, den jungen Banzulu, war es zu viel.
Ohne Nachzudenken schleuderte er seinen Jagdspeer. Der Ulungu wurde getroffen, was ihn mitten in der Luft herum wirbelte. Er verfehlte seine Beute, schrammte mit den Krallen an ihren Flanken herunter – und griff nach. Brüllend fiel die wütende Raubkatze über den Antilopenbock her, ließ ihn büßen für den Schmerz in ihrem Fleisch. Der Bock hatte keine Chance. Der Ulungu riss ihn in Fetzen.
Ngomane stand da wie erstarrt, während seine Männer an ihm vorbei wateten, um die Jagd zu beenden. Er war so fassungslos, dass er nicht einmal Zorn verspürte. Tenga hatte ein ehernes Tabu gebrochen, indem er den ersten Speer warf.
Dieses Vorrecht gehörte Ngomane! Er hätte den Ulungu treffen müssen! Was sollte er jetzt noch mit dem Fell anfangen? Es hatte allen Wert verloren!
»Ngomane.«
Der Banzulu-Fürst sah durch die Männer hindurch, als sie den Ulungu töteten. Er gewahrte den Umriss seines Ersten Jägers, Dingiswayo, am Uferrand, doch was interessierte es ihn? All die verlorene Zeit! So viel Mühe – für nichts! Er hatte seinem Sohn das graue Fell versprochen, und nun stand er mit leeren Händen da. Wie beschämend war das!
»Ngomane!«
Die Stimme des Ersten Jägers klang drängend. Ngomane löste sich aus seinen Gedanken, fokussierte den Blick, stutzte.
Im ersten Moment sah es aus, als würde der Speer auf ihn zielen. Doch das tat er nicht. Dingiswayos Lippen formten ein stummes Wort: Runter!
Ngomane war zu aufgewühlt, um vernünftig zu handeln.
Statt schnellstens aus der Wurfbahn zu tauchen, drehte er sich um.
Und da stand er im Uferschlamm: ein silbergrauer Ulungu von fast einem Meter Schulterhöhe. Schwer, muskulös, eindeutig ein Männchen. Seine himmelblauen Augen waren kalt wie Stein. Schwarze Lefzen hoben sich zu lautlosem Fauchen.
Deshalb kam er mir plötzlich so klein vor! Es sind zwei! Wir haben das Weibchen getötet! Ngomane behielt den Ulungu fest im Blick, während er vorsichtig den Speer aus dem Wasser hob, und in die Waagerechte brachte. Mann und Raubtier starrten sich an; unentwegt, mitleidlos. Es war ein Kräftemessen ebenbürtiger Jäger. Einer würde überleben.
»Ngomane!« Dingiswayo hatte Angst um seinen Fürsten, das hörte man. Der Erste Jäger war ein Stück zur Seite gegangen, hatte jetzt freie Sicht. Doch Ngomane wehrte ab.
»Er gehört mir!«, sagte er laut und hart, mit Blick auf den Ulungu. Der gab beim Klang der Menschenstimme sein lautloses Fauchen auf, senkte den Schädel und röhrte ein markerschütterndes Gebrüll heraus.
Es war noch nicht verklungen, da sprang er los. Aus dem Stand, ohne jedes Anzeichen. Kein Hinternwackeln, kein Ohrenanlegen, nichts. Er flog heran wie ein Schatten – und er war schneller als Ngomane. Der hatte seinen Speer zum Wurf erhoben statt zum Stoß, also auf Kopfhöhe. Das konnte er nicht mehr korrigieren.
Neunzig Kilo Lebendgewicht prallten dem Banzulu vor die Brust, warfen ihn um. Gurgelnd und schäumend schlug das Wasser über ihm zusammen. Ngomane sank und sank. Die Vorderläufe des Ulungu hielten ihn umklammert wie Menschenarme; er spürte, wie sich scharfe Krallen durch das Flechtwerk aus Zweigen bohrten, das er zur Tarnung trug.
Reißzähne schrammten über Ngomanes Gesicht, suchten nach einer griffigen Stelle. Fanden sie den Hals, war es vorbei.
Ngomane packte den Kopf der Raubkatze mit beiden Händen und bog seinen eigenen zurück, um den Zähnen zu entkommen. Doch allmählich ging ihm die Luft aus. Rote Nebel tanzten vor seinen Augen, und die Geräusche um ihn
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