VT10 - Tod im Blut
dröhnten dumpf in den Ohren. Er versuchte sich herumzurollen, den Ulungu nach unten zu befördern. Keine Chance. Die Bestie war zu schwer, und zu entschlossen, ihn zu töten. Fast kam es ihm vor, als wollte der Ulungu den Tod seines Weibchens rächen.
Nicht mit mir! Ngomane entschloss sich zu einer Verzweiflungstat. Er brauchte eine freie Hand. Er nahm die Rechte weg, worauf der Ulungu sofort versuchte, sich in der Linken zu verbeißen. Ngomane ballte sie zur Faust und rammte sie, so tief er konnte, in den Raubtierschlund. Möglichst gerade, denn auf ihren Reißzähnen kauten Großkatzen nicht.
Die Beute wurde quer zum Maul gefressen.
Ngomane ignorierte die Schmerzen in seiner Hand, tastete mit der Rechten hinunter an seinen Gürtel. Er musste sich beeilen, denn er drohte zu ersticken und wurde müde.
Seine Finger berührten Holz und Eisen. Das Jagdmesser!
Heraus damit! Und nur nicht fallen lassen! Ngomane hob es hoch, schob es über nasses Fell zwischen die Schulterblätter des Ulungu. Dann stieß er zu.
Es reichte nicht, um ihn zu töten, aber wenigstens öffnete der Silbergraue das Maul und gab Ngomanes Hand frei. Sie flog ans Messer – und mit der Kraft beider Arme rammte der Banzulu-Fürst die Klinge bis zum Heft in den Lepaaden. Dann stieß er ihn von sich und tauchte auf.
Helfende Hände zogen Ngomane ans Ufer, während der Ulungu im Todeskampf das Wasser aufschäumte. Es färbte sich rot, und Ngomane nickte zufrieden. Er hatte einen gefährlichen Gegner im Zweikampf besiegt. Sein Sohn konnte das Fell mit Stolz tragen.
***
Dr. Aksela hatte den Raum mit Nabuu und Marie verlassen. Sie konnte dort nichts anderes tun, als Marie bei der Genesung zuzusehen und Nabuu bei dem unvermeidlich bevorstehenden Verfall. Deshalb war sie in ihr Labor gegangen und machte sich jetzt dort an einigen Versuchsreihen zu schaffen. Doch sie konnte sich kaum auf die Arbeit konzentrieren. Zu viel ging ihr durch den Kopf.
Es war furchtbar, den jungen Kilmalier so zu sehen. Sie hatte ihn zwar stabilisiert, doch gesund würde er so nicht werden, wenn sie das Anti-Serum nicht entscheidend verbessern konnte. Das wiederum ging nicht, weil Marie zu viel Blut verloren hatte und sie eine weitere Abnahme nicht überleben würde. Ohnehin war ihr Innerstes durch die vielen Verletzungen so mit dem Gruhgift verseucht, dass ihr Blut sich erst einmal selbst regenerieren musste…
Dr. Aksela schüttelte den Kopf. Ihre Gedanken waren in einem Teufelskreis gefangen. Ein dunkler Schatten legte sich über ihre Seele und sie fragte sich, weshalb sie Nabuu eigentlich zu heilen versuchte.
Nur um eine Expedition zu retten, die wahrscheinlich sowieso schon verloren war? Es fiel ihr schwer, das zuzugeben, aber de Fouché hatte wohl Recht – die Expedition war verloren. Wenn sich Kriegsminister Wabo Ngaaba und die anderen nicht samt und sonders in den Höhlen verirrt hatten, dann war es höchstwahrscheinlich, dass irgendwelche Gruh sich an ihnen vergriffen und ihnen bei lebendigem Leib das Hirn aus den Schädeln gebrochen hatten – oder sie durch eine Verletzung angesteckt worden waren, so wie Nabuu.
Im Geiste sah sie die Expedition als graue Gestalten durch die Höhlen irren, ihrer Menschlichkeit und allem, was sie einmal ausgemacht hatte, beraubt.
Zumindest hätten wir Gewissheit über das, was passiert ist, wenn Nabuu es erzählen könnte. Und wer weiß, vielleicht versteckt sich etwas in diesem kranken Gehirn, das es der nächsten Expedition leichter macht.
Die nächste Expedition! Dr. Aksela lachte, doch es klang eher nach einem Schnauben. François sah überrascht auf, doch die Ärztin winkte ab und tat erneut so, als würde sie sich ihren Gläschen und Kräutern widmen.
Vielleicht gab es ja eine Chance. Vielleicht hatten der Kriegsminister mit dem künstlichen Bein und die anderen Gardisten etwas Wichtiges entdeckt, dass zumindest einen Hinweis darauf gab, was hinter den Gruh steckte und warum sie auf einmal aus ihren Höhlen gekrochen waren. Und ob es, wie viele vermuteten, einen Anführer gab, der die grauhäutigen Kreaturen befehligte.
Dr. Aksela versuchte sich auf die Experimente zu konzentrieren. Sie konnte sich in dieser Situation einfach keine Fehler erlauben. Wenn sie nicht bald ein richtiges Gegenmittel fand, das den Krankheitsverlauf nicht nur verzögerte, sondern umkehrte, würde Nabuus Gehirn zerfallen, und seine Geheimnisse würden mit ihm sterben.
Die Gefahr war noch nicht gebannt.
***
Einige Tage zuvor
»Verschwunden?
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