VT10 - Tod im Blut
Was heißt das: verschwunden?«, fragte Ngomane stirnrunzelnd. Es war Abend; die Sonne versank mit einem spektakulären Lichterspiel, das die Strohdächer von kwaBulawayo golden und rot aufflammen ließ. Gerade hatte der Banzulu-Fürst das Dorftor durchschritten. Die Felle der getöteten Ulungu lagen noch nicht ganz am Boden, da war er schon umringt von aufgeregten Leuten.
Eigentlich hatte Ngomane eine seinem Jagdglück angemessene Begrüßung erwartet. Stattdessen entnahm er dem lautstarken Durcheinander, dass der Bote Adeyemo und ein Mädchen namens Nikali verschwunden waren. So klang es jedenfalls. Und es machte keinen Sinn.
»Ruhe!«, befahl Ngomane. Seine dunkle Stimme trug weit, über den ganzen Dorfplatz, und es wurde still. Selbst Glele, die Mutter des vermissten Mädchens, unterbrach ihr Klagen. Die Macht des Fürsten war absolut.
Ngomane wies auf einen rundlichen Mann namens Mwemesi. Er war sein Bruder und der Statthalter von kwaBulawayo, wenn Ngomane zur Jagd ging. »Berichte mir!«
Das tat Mwemesi dann auch. Er wiederholte Adeyemos Worte, doch was er da von sich gab, veranlasste Ngomane schon nach kurzer Zeit, den Bericht hastig abzuwinken. Die Kinder sahen aus, als würden alle Geister der Nacht vor ihnen auferstehen, mit Krallenhänden und weißen Augen.
Ngomane schickte die Dörfler heim mit dem Versprechen, die Angelegenheit aufzuklären. Anschließend beorderte er einige Männer in seine Hütte, unter ihnen den Ersten Jäger, Dingiswayo. Der nahm Platz wie alle anderen und ließ sich von Ngomanes Frau bewirten. Dingiswayo verlor kein Wort darüber, wie sehr ihn das Verschwinden seiner Tochter mitnahm. Man merkte es nur an seinen Fingern, mit denen er die Speise zum Mund führte. Sie zitterten.
Als Mwemesi den angefangenen Bericht beendet hatte, verharrte Ngomane in brütendem Schweigen. Man hatte vor seinem Lepaadenthron ein Feuer entfacht, denn die Dämmerung fiel schnell, und mit ihr die Temperaturen. Nach der Hitze des Tages wurde es im Schatten des Kilmaaro empfindlich kalt. Ngomane starrte in die Flammen, das Kinn auf die Faust gestützt, und man konnte zusehen, wie sich seine Miene verdüsterte. Keiner der Männer im Feuerkreis wagte zu sprechen. Es war der Fürst selber, der zuletzt das Schweigen brach.
Ngomane ließ die Hand sinken. »Alle?«, fragte er dann erschüttert. »Die Menschen in Kilmalie sind alle tot? Was ist mit Muhnzipal und Ribe?«
»Wissen wir nicht«, sagte Mwemesi. »Wir warten noch auf die Rückkehr der anderen Läufer.«
»Das klingt nicht gut.« Ngomanes Augen wurden schmal.
»Das klingt verdammt nicht gut! Wie viele Wolkenstädte hat der iFulentshi hergeschickt?«
Die Banzulu tauschten verwunderte Blicke.
»Adeyemo hat keine erwähnt, Nkosi«, sagte Tleto, der Erste Viehhüter.
Ngomanes Gesicht wurde lang. »Hätte mich auch gewundert. Der iFulentshi kümmert sich wirklich einen Dreck um seine… wie nennt er unsere Brüder? Untertanen! Es sind Söhne dieses Landes! Die Erben Afras! Doch wie geht er mit ihnen um? Er lässt sie auf den Feldern schwitzen, während er und seine hellhäutige Brut sich den Wanst voll fressen, Wein saufen und gezierte Worte sprechen – bis eine Gefahr auftaucht und sie schnell den Schwanz einziehen.«
»Der iFulentshi ist ein Schwein!«, sagte Mwemesi und nickte.
»Und Schweinen schneidet man die Kehle durch«, knurrte Dingiswayo.
Ngomane schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, dass sein Blut meine Erde besudelt! Er soll verschwinden, zusammen mit seiner Brut.«
»Aber das wird er nicht, Nkosi! Er lebt hier wie ein Schwein am Trog, und das lässt sich auch nicht vertreiben, so lange der gut gefüllt ist«, meinte Tleto, der Viehhüter.
Ngomane lächelte ihn an. »Als ich sagte, der iFulentshi soll verschwinden, dachte ich nicht an Vertreibung!« Das Lächeln des Banzulu-Fürsten wurde kalt. Sein Blick wanderte über die Gesichter seiner Männer. »Ich möchte, dass er in Feuer und Rauch aufgeht. Keine Spur soll von ihm übrig bleiben.«
»Wie willst du das machen, Nkosi?« Mwemesi rückte ein Stück näher. Er war so interessiert, dass er seinen Bruder sogar mit dem offiziellen Titel ansprach; eine Ehrbezeugung, die er Ngomane sonst verweigerte, weil er sich selbst als den rechtmäßigen Herrn des Lepaadenthrons sah.
Ngomane antwortete ihm, und man merkte schnell, dass seine Äußerung bezüglich de Roziers kein spontaner Einfall gewesen war. Das hätte die Männer auch überrascht.
Ngomane erinnerte daran, wie
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