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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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versichern, wie gut er sie verstand.
    »Ich sollte gehen. Er klang so,
als hätte er ... Unsinn im Kopf.«
    Das brachte sie zum Lachen. Pavel
setzte sich aufs Sofa.
    »Ich sollte wirklich gehen«,
wiederholte er.
    »Vergiss
es«, flüsterte sie. »Du bist erledigt, sobald du einen Schritt aus der Tür
machst.«
    Sie kam
und setzte sich neben ihn. Durch seine Wut und seine Angst konnte er den Duft
ihres Haars riechen. Ohne hinzusehen, griff er nach ihrer Hand und traf dabei
aus Versehen auf ihren Schenkel. Sie zuckte zurück und rutschte etwas zur
Seite. So saßen sie beieinander, sich des Abstands zwischen ihnen bewusst, und
starrten die Wand an.
    »Was hat er dir angetan?«, fragte
er endlich.
    Sie zuckte
mit den Achseln, suchte seine Augen und wandte den Blick gleich wieder ab, als
er ihn erwiderte.
    »Nichts«, krächzte sie. »Aber er
weiß Bescheid.«
    »Weiß was?«
    »Er weiß, dass ich ... Aber was
nutzt es, es auszusprechen?« Pavel wünschte, dass sie das Wort, ein einziges
Mal, gebrauchte.
    »Dass ich dich liebe?«, murmelte
er.
    Sie stand
auf und putzte sich die Nase. Vielleicht hatte sie ihn nicht gehört. Er sah,
wie sie im Zimmer auf und ab lief und sich schließlich an den Flügel setzte.
Ihre Finger strichen über die Tasten, schlugen aber keine davon an. Es wäre
besser gewesen, wenn sie gespielt hätte.
    »Wir
könnten ihm geben, was er will.« Sonjas Blick wanderte zur Kaffeekanne im
Schrank hinüber. »Das könnte die Sache für dich anders aussehen lassen.«
    Er
schüttelte den Kopf.
    »Nein, das
geht nicht. Nicht, wenn er Boyd umgebracht hat.«
    Seine
Stimme klang auch für ihn selbst stur wie die eines Kindes, aber Sonja stritt
nicht mit ihm.
    »Gut«, sagte sie. »So ist es eh besser, für mich, meine
ich.«
    »Sag mir nur eins«, sagte er kraftlos.
    »Ja.«
    »Wusstest
du, dass Boyd sterben würde?«
    »Ich
wusste, dass er ein Bauer war, der sich für den König hielt«, sagte sie. »Ja,
ich wusste, dass er sterben würde. Ich habe geholfen, ihn zu töten.«
    »Du
hattest keine Wahl.«
    »Woher
weißt du das?«
    Er hörte
sie das sagen und verfiel in Gedanken.
    Dachte,
dass Sonja im Krieg hart geworden war, am härtesten gegen sich selbst.
    »Ich muss
gehen«, sagte er ein weiteres Mal und kämpfte sich vom Sofa hoch. Sie reagierte
nicht, sondern saß mit gebeugten Schultern reglos auf ihrem Klavierhocker. Und
dann, als es schon schien, dass sie sich im Zorn voneinander trennen würden,
ein weiterer Kuss, ihr dritter, gegen den Flügel gedrückt, seine Hand auf den
tiefen Tasten. In seinem ganzen Leben hatte er nie jemanden so geküsst.
    »Du schmeckst
nach Cognac«, sagte sie leichthin. Es war das erste Mal, dass Pavel sie rot
werden sah.
    »Und du
nach dem Kölnisch Wasser des Colonels.«
    Damit
wandte er sich ab und ging zur Tür, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er
fürchtete sich davor, zu sehen, ob seine Worte sie verletzt hatten oder nicht.
    Pavel verließ ihre Wohnung,
unsicher, was er als Nächstes tun sollte. Fast hatte er damit gerechnet, dass
die Männer des Colonels ihn erwarten und offiziell unter Arrest nehmen würden,
aber das Treppenhaus lag wie ausgestorben da, und nur der Mond hob seine Formen
aus der Dunkelheit hervor. Einen winzigen Moment lang überlegte er, ob sie
Fosko wohl missverstanden hatten und der Mann nur betrunken gewesen war und ins
Bett gewollt hatte, um seinen Rausch auszuschlafen. Aber Pavel verwarf den
Gedanken sofort wieder. Er wollte sich nichts vormachen. Seine Nieren meldeten
sich in seinem Rücken, und er nahm besser seine Medikamente, was immer sonst
auch geschehen mochte. Als er sich seiner Wohnungstür näherte, stellte er fest,
dass sie einen Spalt offen stand. Licht fiel keines auf den Flur.
    Pavel
drückte die Tür ganz auf, tastete nach dem Lichtschalter und betätigte ihn
ohne eine Wirkung. So stand er auf der Schwelle, und das Herz schlug ihm
plötzlich bis zum Hals, eng eingepfercht unter der Wurzel seiner Zunge. Aus der
Wohnung wehte ihm der bekannte Geruch von Schweiß, Pisse und Blut entgegen. Er
kniff die Augen zusammen und versuchte, etwas zu erkennen. Die Schatten waren
hier dunkler, der Mond leuchtete nur matt hinter den eisbeschichteten Scheiben,
halb verdeckt vom Bogen des Vorhangs.
    Nur dass
er keine Vorhänge mehr hatte.
    Vor Wochen
schon hatte er sie abgenommen, um daraus Decken für den Jungen zu machen. Die
nackte kupferne Vorhangstange hatte er seitdem sicher schon ein Dutzend Mal
als Trockenstange benutzt, hatte Hemden,

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