Vyleta, Dan
Socken und Unterwäsche daran
aufgehängt und das Wasser auf die Fensterbank tropfen sehen, bis es zu kalt zum
Waschen wurde und die Krankheit ihn seinen Gestank nicht mehr wahrnehmen ließ.
Als Pavel die Wohnung verlassen hatte, war die Stange leer gewesen.
Jetzt
nicht mehr.
Er geriet
in Panik und starrte den Schatten an, der nicht sein durfte. Sah die Krümmung
der Stange und die Straffheit des Stricks und suchte mit den Händen nach
Streichhölzern. Er zerbrach eines auf der rauen Seite des Briefchens, und noch
eines und noch eines, die Finger steif und ungeschickt. Beim nächsten Versuch
ließ Pavel das Briefchen fallen, ging in die Hocke und tastete in der
Dunkelheit danach. Dann endlich fing ein Streichholz Feuer: ein wildes
Aufflammen von Licht, das sich auf einen Punkt zusammenzog, um dann nach und
nach eine stetige Flamme zu formen. Schatten tanzten vor ihr, entblößt huschten
sie zurück ins Dunkle. Nur der Schatten am Fenster wollte nicht weichen,
verfestigte sich und nahm Züge an, gut eins zwanzig groß und hager.
Sein Kopf
steckte in einem unmöglichen Winkel in der Schlinge.
Pavel
keuchte und bewegte sich auf den hängenden Jungen zu. Er griff nach dem Fuß -
war ihm das nicht eben erst erzählt worden? - und drehte ihn. Er sah ein
Gesicht wie eine Totenmaske, ein Engelsgesicht, einen ermordeten Engel, jung,
auf der einen Wange ein kleiner Riss. Pavel drehte ihn im Kreis, sah ihn an und
hielt sein Streichholz so nah an den Körper, als wollte er ihn anzünden, den
toten Jungen, der da an seiner Vorhangstange hing. Drehte ihn, sah ihn an,
betrachtete ihn ... und lachte.
Heilige
Mutter Gottes! Er lachte! Es hätte mich beinahe zur Strecke gebracht, dieses
Lachen.
Sie müssen wissen, dass ich die
ganze Zeit dagesessen hatte, auf seinem Bett, den Rücken gegen ein paar Kissen
gelehnt. Er bemerkte mich nicht, nicht, bis er den Jungen entdeckt hatte und
sein schrilles Lachen hören ließ. Erst da, als ich ihn anschrie, er solle
endlich aufhören, erst da drehte er sich um und machte meine Bekanntschaft.
Ich stelle
mir vor, wie ich mich für ihn aus dem Schatten löste, mit meinem sperrigen
Mantel und der Augenklappe, wie ein göttlicher Bote, der die Nachricht vom
kommenden Ende überbringt. Ich erinnere mich, wie er meine Schuhe, mit denen
ich achtlos auf seinem Bett gelegen hatte, mit einer besonderen Art von Abscheu
musterte. Er hatte eine bessere Erziehung genossen, und wahrscheinlich dachte
er, auch ich hätte wissen müssen, dass man sich so nicht benahm. Aber ich war
an diesem Abend müde, mir war kalt, und die Füße schmerzten vom langen Stehen
draußen vor dem Unterschlupf der Jungenbande. Im Übrigen würde er sein Bett
eine Weile nicht benutzen. Ich nehme an, ich hätte sie auch ausziehen können,
meine Schuhe, aber wie soll ein Mann einen anderen auf Strümpfen festnehmen?
Das wäre absurd gewesen, besonders in Verbindung mit der Pistole in meiner
Hand. Pavel sah mich mit müden Augen an. Die Pistole schien für ihn keine
große Bedeutung zu haben.
Aber jetzt
drohen die Ereignisse die Regie zu übernehmen, und ich bin in Gefahr, die
Geschichte vom falschen Ende her zu erzählen. Lassen Sie mich zunächst die
Schritte noch einmal nachvollziehen, die mich in dieses Zimmer gebracht hatten,
auf dieses Bett, wo ich mit meinen schmutzigen Schuhen Pavels Bettzeug
verdreckte, während mir das kaputte Auge wie etwas Verfaultes unter der Klappe
juckte. Zuletzt haben Sie mich auf der Straße vor Paulchens Hauptquartier
gesehen und mir zugehört, wie ich telefonierte, um bei meiner Wache
Gesellschaft zu bekommen. Es war eine lange, ermüdende Warterei. Kurz nachdem
ich meinen Posten bezogen hatte und die anderen Männer zu mir gestoßen waren,
kam es allerdings zu einer merkwürdigen Ablenkung, wenn auch nicht von der
Art, die einem das Gemüt beruhigt. Ganz im Gegenteil. Dabei ging es um den
Jungen, der da tot, fürchte ich, an der Stange hing und nie wieder aufwachen
würde. Völlig unvermittelt war er aufgetaucht, Gott allein weiß, von wo.
Vielleicht aus dem Haus oder dem Garten dahinter, so viel ich wusste, konnte
er auch in einem Baum gesessen haben. Das Erste, was ich von ihm sah, war, wie
er direkt vor mir, keine zwei Meter von der Stelle, wo ich Wache hielt, mitten
im Schritt erstarrte und gewaltig zusammenzuckte.
»Großer Gott!«,
sagte ich ähnlich erschreckt und dachte daran, dass der Colonel diesen Junge
wollte. »Da ist ja Pavels kleiner Freund.«
Und schon
schoss er
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