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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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Straßen Berlins gefolgt war und vergeblich versucht hatte,
seine Seele zu ergründen. Also schickte ich Easterman zum Weihnachtenfeiern
nach Hause und nahm selbst seinen Posten ein. Zunächst saß ich auf Pavels
Stühlen, aber dann trieben mich mein schmerzendes Hinterteil und die eiskalten
Füße hinüber zu seinem Bett, auf dem ich mich so ungebührlich niederließ, wie
Pavel mich später fand.
    Der
Colonel sah noch kurz herein, vielleicht eine Viertelstunde bevor Pavel kam.
Er öffnete die Tür, schenkte dem Arrangement einen höchst oberflächlichen
Blick, nickte in meine Richtung und fragte, ob wir uns um den Mann unten im
Auto gekümmert hätten.
    »Ja«,
nickte ich, nachdem ich kurz nach Eastermans Abgang selbst darüber ins Bild
gesetzt worden war. »Aber wir wussten nicht, was wir mit der Leiche machen
sollten.«
    »Und?«
    »Wir haben
ihn erst mal dagelassen. Sieht aus, als schliefe er. Ich dachte, das kann nicht
schaden.«
    Der
Colonel lächelte und wandte sich zum Gehen. »Wenn Richter nach unten kommt,
bringen Sie ihn nach Hause in die Villa. Sorgen Sie nur dafür, dass meine Frau
und die Kinder ihn nicht sehen. Es könnte sie belasten.«
    »Das werde
ich, Colonel.« Und fügte nach einigem Nachdenken, und weil sich der Colonel so
zufrieden zeigte, wie ich ihn kaum je zuvor erlebt hatte, noch hinzu: »Darf ich
Sie etwas fragen, Sir?«
    »Aber
natürlich, mein guter Peterson.«
    »Warum
diese Farce?« Ich nickte zu dem baumelnden Jungen hinüber. »Warum verhaften wir
ihn nicht einfach und prügeln es aus ihm heraus?«
    Der
Colonel zuckte mit den Achseln, als wäre das eine völlig dumme Frage gewesen.
»Bei allem, was man tut, Peterson, kommt es darauf an, über ein gewisses je ne suis quoi zu verfügen und dabei sparsam mit
seinen Möglichkeiten umzugehen. Wir haben erstens einen toten Jungen, den ein
Mann in sein Herz geschlossen hatte, und zweitens diesen Mann selbst, den es zu
brechen gilt. Ganz allgemein gesagt, würde es mir besser gefallen, wenn der
Junge noch lebte, der Mann tot wäre und sich Söldmanns Ware in meiner Tasche
befände, aber wir haben nicht immer die Möglichkeit, die äußeren Umstände zu
bestimmen.«
    »Ah«,
sagte ich und tat so, als verstünde ich ihn, und fügte gleich noch hinzu:
»Hätten Sie den Jungen verhört? Ich meine, wenn er noch lebte? Hätten Sie ihm,
Sie wissen schon, wehgetan?«
    Der
Colonel machte ein spöttisches Gesicht.
    »Peterson,
Peterson«, sagte er. »Aber natürlich nicht.« Er lächelte mich süßlich an. »Sie
hätten ihm wehgetan.«
    »Ja, Sir,
das hätte ich wohl«, gab ich zu, nachdem er den Blick nicht von mir ließ. Er
winkte mir noch einmal mit seinen fetten Fingern zu und schloss die Tür hinter
sich. Ich lehnte mich zurück gegen die Wand und wartete auf Pavel.
    Als er
nach etwa zwanzig Minuten endlich hereinkam, saß ich reglos wie ein Zaunpfahl
da, und er bemerkte mich nicht, nicht, als er mit den Streichhölzern
herumfummelte (fast hätte ich ihm meine Hilfe angeboten, es war so
mitleiderregend), und auch nicht, als es ihm endlich gelang, eines zu entzünden
und er sich mit ernstem Schritt dem Jungen näherte. Dann dieses Lachen. Ich
war versucht aufzuspringen und ihn zu schütteln, weil ich glaubte, er habe
einen hysterischen Anfall bekommen, aber mein Hintern schmerzte so. »Warum
lachen Sie?«, schrie ich stattdessen von meinem bequemen Sitz aus.
    »Sie haben
den Falschen erwischt«, rief er. »Sie haben den falschen Jungen.«
    Ich
verstand nicht, was er meinte. Es war der Junge, der ihn am Nachmittag besucht
hatte. Ich hatte nie einen anderen gesehen.
    »Den, nach dem der Colonel sucht, richtig?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf.
    »Der«,
spuckte er, »ist entkommen, und Schande über Sie, dass Sie den hier umgebracht
haben. Das war ein guter Junge, keine zwölf Jahre alt, der seine Eltern im
Lager verloren hat.«
    In diesem
Moment kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass sich hinter dem unscheinbaren
Verhalten dieses Mannes mehr verbarg, als man annehmen mochte. Ich musste daran
denken, dass er im Krieg gekämpft hatte und sicher wusste, was es bedeutete, zu
töten. Sein Lachen erstarb und wurde durch ein Stirnrunzeln ersetzt. Dann der
entrüstete Blick auf meine Schuhe und seine Gleichgültigkeit meiner Waffe
gegenüber.
    »Helfen
Sie mir, ihn da herunterzuholen«, sagte er, und ich tat es, da ich keine
anderen Anweisungen hatte.
    Als wir
den Jungen aus der Schlinge bekommen hatten, hielt Pavel ihn in seinen Armen.
Er wollte

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