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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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Colonel hat einen Witz darüber gemacht.«
    »Ja«,
sagte er, ohne von seinem Teller aufzusehen. »Da habe ich geweint, nur habe ich
mich hinterher gefragt, ob es nicht wegen meiner Nieren war.«
    »Sie mögen
sich nicht«, sagte ich leise.
    Ich war
ernsthaft überrascht.
    Er zuckte
mit den Schultern, als wären meine Worte zu banal, um sie aussprechen zu
müssen. »Wer tut das schon? Er wäre ein Narr.«
    »Was ist
mit Sonja? Sie empfinden doch etwas für sie, oder etwa nicht? Der Colonel sagt,
sie ist in Sie verliebt. Ich glaube, es ärgert ihn.«
    »Ja«,
sagte er. »Ich empfinde etwas für sie.«
    Weiter
sagte er nichts dazu. Er brauchte es nicht. Es stand ihm ins Gesicht
geschrieben.
    »Dann
sagen Sie mir doch, was ich aus Ihnen herausbekommen soll: Wo ist die Ware?
Wenn wir sie haben, kann ich Sie vielleicht gehen lassen.«
    Er
schüttelte den Kopf.
    »Nein. Ich
dachte eine Weile lang, vielleicht würde ich es sagen, aber jetzt nicht mehr.«
    »Nie und
nimmer?«, spottete ich. »Das sind große Worte.«
    Er
schnipste eine Erbse in meine Richtung. Sie flog durchs Gitter, traf meine
Stirn und fiel geradewegs in mein Bier, versank, stieg wieder auf und schwebte
in einer Wolke aus Bläschen. Ich weiß nicht warum, aber wir fingen beide an zu
lachen und hörten nicht wieder auf, bis ich dachte, mir müsse der Leib
platzen.
     
    »Sie sind wie ich«, erklärte ich ihm später, als wir
unsere erste Nachmittagspartie Schach anfingen. »Genau wie ich.«
    »Wie das?«
    »Wir tun
den Menschen hier unten weh«, sagte ich. »Ich habe in diesem Keller
schreckliche Dinge erlebt, das will ich Ihnen sagen. Ein paar von den Jungs
verlieren mit den Drahtscheren jegliches Maß. Männer werden geschlagen, bis
ihnen die Knochen im Gesicht herumwandern. Verbrennungen, der Geruch von
verbrannter Haut, der hängt Ihnen noch Tage danach in den Haaren. Aber es macht
mir nichts. Wenn ich abends nach Hause gehe, schüttle ich das alles ab wie
einen Mantel. Da drin ...«, ich schlug mir auf die Brust, »bleibe ich völlig
unbewegt.«
    »Übrigens«,
setzte ich noch hinzu. »Die Leute, die wir hier so anschleppen, die meisten
davon sind richtige Schweine. Abscheulich. Da gibt es welche, da glaubt man
fast, den macht das hier unten Spaß. Als ob sie es immer schon mal ausprobieren
wollten.«
    Pavel sah
mich nachdenklich an und schob einen Bauern vor. Drei Züge später sah es
bereits wieder schlecht für meine Dame aus.
    »Sie sind
völlig anders als ich«, sagte er später vor dem Schlafengehen. Ich machte mich
gerade fertig, um meine erste Nacht mit ihm zu verbringen. »Das Einzige, was
wir gemeinsam haben, ist das hier ...« Mit dem Kinn machte er eine Geste, die
den Keller umfasste, den Käfig, die Heizung, die Risse im Putz. »Abgesehen
davon sind wir uns völlig fremd.«
    »Nun«,
sagte ich. »Das ist doch immerhin etwas, oder?«
    »Ja«,
stimmte er mir schwermütig zu, »das schon. Das ist das Leichteste überhaupt,
wissen Sie?«
    »Was?«
    »Sich mit
jemandem zu identifizieren. Das erwischt einen wie eine Grippe.«
     
    Am nächsten Tag bat er mich um
einen Schwamm, Seife und etwas lauwarmes Wasser. Ich brachte es ihm von oben
und sah aus dem Augenwinkel zu, wie er sich auszog und seinen Körper, so gut es
ging, säuberte. Nicht, dass ich andersrum gewesen wäre, weder damals noch sonst
irgendwann, aber ich genoss es, ihn in derart ungeschützten Momenten zu
beobachten und sein Gesicht und seinen Körper nach Hinweisen abzusuchen. Ich
hatte immer noch das Gefühl, ihn nur halb zu kennen. Seine Blässe, besonders um
den Hintern und die Schenkel herum, überraschte mich. Eigentlich war er eher
ein dunkler Typ, aber er war lange nicht mehr an der Sonne gewesen. Es gab ein
paar Narben, nichts Dramatisches, vielleicht zu rot, um aus der Kindheit zu
stammen, aber gut verheilt und versorgt. Schmale Hüften, ein Muttermal auf dem
linken Schulterblatt, sichelförmig, und eine schicke dunkle Linie, die aus
seinem Schamhaar erwuchs und eine Schlinge um den Nabel formte. Er nahm sich
Zeit für seine Wäsche und schlüpfte sichtbar angeekelt zurück in seine Kleider,
enttäuscht, dass ich nichts Sauberes zum Wechseln für ihn hatte finden können.
    »Vielen
Dank«, sagte er ausgesprochen förmlich, als er mir Seife, Schwamm und das
flauschige Handtuch zurückgab, das ich für ihn aus der Schmutzwäsche des
Colonels gefischt hatte. »Und warum erzählen Sie mir jetzt nicht einmal etwas
von dem Zwerg? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer er

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