Wachgeküßt
Dose mit den Schokokeksen.
»Was ist passiert, Alex?« Emma, die plötzlich hellwach ist, eilt hinter mir her. »Du meine Güte, was ist denn mit deinen Augen los? Du siehst ja aus wie ein schlechter Ablclatsch von einem Panda, der starken Heuschnupfen hat.« Emma hat recht. Normalerweise habe ich blasse Haut, doch jetzt bin ich aschfahl, und meine dunkelbraunen Augen sind blutunterlaufen. Sie zieht ein pfirsichfarbenes Taschentuch aus der Tasche ihres Bademantels und tupft erfolglos über die verschmierte Wimperntusche und den Eyeliner, während ich betrübt, stumm und im Aklcord Schokokekse futtere.
»Alex«, stößt sie hervor, ganz verärgert vor Sorge, »hör auf, dich mit Keksen vollzustopfen, und erzähl mir, was los ist.« Sie nimmt mir die Dose aus den Händen, die ich gegen meine Brust gepreßt halte wie einen Teddybären. Ohne sie fühle ich mich plötzlich ganz nackt und verletzbar. Ich lehne mich gegen die Küchenzeile und blinzele, um nicht wieder in Tränen auszubrechen.
»Ich habe Max gerade mit einer anderen Frau im Bett erwischt«, sage ich, den Mund voller Krümel.
Emma greift sich eine Handvoll Kekse und gibt mir dann schweigend die Dose zurück.
»Du Arme.«
Das ist wohl die Untertreibung des Jahrhunderts.
»Wie fühlst du dich?«
Wie ich mich fühle? »Am Boden zerstört« wäre wohl die passendste – und prägnanteste – Beschreibung, aber schließlich muß ich gar nichts sagen.
»Was für eine dumme Frage«, antwortet Emma selber. »Du fühlst dich natürlich beschissen.« Sanft packt sie mich an den zitternden Schultern und führt mich zu einem der Küchenstühle. Dann greift sie nach dem Teekessel, der im vollen Bewußtsein seiner Pflicht erstaunlich schnell heiß geworden ist und jetzt ordentlich Dampf abläßt, wobei er wie ein tatteriger alter Mann mit lose sitzendem Gebiß klappert und grummelt.
»Mit Wasser funktioniert es besser«, seufzt sie, trägt das spuclcende, pfeifende Ding zur Spüle und läßt es vollaufen.
Aus einem der Schränke nimmt sie Teebeutel, wirft sie in große Tassen und holt dann noch eine Packung Kekse, die sie aufmacht und in die sich schnell leerende Dose schüttet.
Wir warten schweigend, bis der Kessel lautstark pfeift. »So jetzt.« Der Tee ist fertig, und sie setzt sich im rechten Winkel zu mir an den soliden, gescheuerten Küchentisch aus Eibenholz. »Erzähl mir genau, was passiert ist.«
Ich schniefe laut, greife mir die Küchenrolle, schneuze mich und erzähle dann.
»Erinnerst du dich, daß die Redaktion mich für drei Tage nach Schottland geschickt hat, damit ich mir dieses neue, mondäne Seebad mal näher ansehe?«
»Und ob ich mich erinnere! Ich wollte dich sogar überreden, doch mit mir zu tauschen! Du gehst für mich in die Bank mit all den aalglatten Bankern, während ich gen Norden ziehe und einen Bericht über diesen pompösen Palast für piekfeine Piefkes schreibe. Genau das habe ich dir gesagt, aber du wolltest nicht hören! Natürlich nicht...«
»Oje«, seufze ich, »ich wünsche, wir hätten getauscht. Das Seebad war eine absolute Enttäuschung: Erst wird man mit eisigem Wasser abgespritzt und dann mit feuchten Handtüchern durchgewallct – eine gnadenlose Prozedur. Und den Schlamm für die Gesichtsmasken holen sie bestimmt jeden Morgen aus dem Gemüsegarten. Also habe ich mir gedacht, ich sehe zu, daß ich
schnell fertig werde, fahre früher zurück und überrasche Max. Das ist mir auch gelungen, das kannst du mir glauben!«
Ich setze die Teetasse an und verbrühe mir fast die Lippen, so heiß ist er.
»Autsch!« Wie verrückt blase ich auf meine Lippen und auf den Tee. »Was soll’s, ich komme also nach Hause und schleiche mich ganz leise rein. Ich wußte ja, daß er noch im Bett liegt, weil Samstag ist, also dachte ich mir, ich mache mal was Besonderes, ziehe vielleicht meine Klamotten aus und schlüpfe zu ihm ins Bett. Ich wollte ihn ganz lieb begrüßen, verstehst du...«
»Schon klar.« Ems lächelt gequält.
»Ich schleiche also auf Zehenspitzen hoch ins Schlafzimmer, und was sehe ich? Die beiden, nackt, in unserem Schlafzimmer, in unserem Bett, mit meiner neuen Bettwäsche von Caroline Charles! Für die habe ich Ewiglceiten gespart... Dieses Schwein!« Ich greife nach einem weiteren dieser Allheilmittel aus Schokolade und Haferflocken.
»Wer war es? Jemand, den du kennst?«
»Und ob ich sie kenne«, zische ich mit vollem Mund. Mit dem Jackenärmel wische ich mir erneut die Tränen weg.
»Also, wer denn
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