Wachgeküßt
nun?« hakt Ems ungeduldig nach. Sie lehnt sich nach vorn, versucht, die Fassade zu wahren, hin- und hergerissen zwischen freundschaftlich interessierter Anteilnahme und hemmungsloser Neugierde.
Ich muß schlucken. Trotz des Tees ist meine Kehle plötzlich wie ausgedörrt.
»Madeleine Hurst.«
Nach Emmas Gesichtsausdruck zu urteilen sagt ihr der Name etwas, aber sie kann ihn nicht einordnen.
»Du weißt schon, die aus dem Fitneßstudio in Knightsbridge. Sie leitet den Kurs für >Bauch-Beine-Po<.«
»Ah.«
Diese eine Silbe spricht Bände. Madeleine Hurst ist blond,
schön und fit – nicht nur beim Sport. Wie oft habe ich sie um ihre tollen, festen Oberschenkel beneidet? Um ihren unglaublich knackigen Hintern? Und um ihre Brüste, die sie beim Joggen auf dem Laufband glatt umgehauen hätten, wenn sie nicht von einem straff sitzenden Sport-BH gebändigt würden? Ihr Make-up zerläuft nie, egal wie mörderisch es auch zugeht beim Workout. Ihr Haar sitzt immer gut, es genügt wenn sie einmal lässig mit den Fingern durch die langen blonden Locken fährt. Meine Freundinnen und ich dagegen ziehen jedesmal schweißüberströmt, völlig erledigt und keuchend ab, um zu duschen, wobei wir in unseren Stretch-Bodys nicht halb so stromlinienförmig aussehen.
»Es ist schon schlimm genug, Max mit einer anderen im Bett zu ertappen« – ich seufze tief -, »aber ausgerechnet mit der! Das ist nicht nur frech, das ist unverschämt.«
»Also wäre es dir lieber gewesen, ihn mit einer flachbrüstigen, häßlichen, alten Schreckschraube zu erwischen? Das hätte deinem Selbstwertgefühl wohl enorm gutgetan, was?« erwidert Emma, und Ärger überdeckt ihren Sarkasmus.
»Nein, aber sie führt mir meine Unzulänglichkeit so deutlich vor Augen...«
»Ich dachte, das wäre Max’ Aufgabe«, unterbricht Emma mich verdrießlich. »Ich fand schon immer, daß dieser Typ ein totales Arschloch ist!«
»Das sagst du mir jetzt!« jammere ich.
»Also hör mal!« Emma schaut mich streng an. »Das erzähle ich dir schon seit sechs Jahren!«
»Aber ich bin doch erst seit sechs Jahren mit ihm zusammen.«
»Eben«, bemerkt sie schnippisch und merkt nicht, daß der Keks, den sie seit zwei Minuten in ihren Tee tunkt, sich vollkommen aufgelöst hat. »Ich konnte ihn noch nie leiden. Und erzähl mir nicht, daß du nicht selbst Zweifel hattest – ich weiß, daß du welche hattest.«
»Stimmt«, gebe ich widerstrebend zu, »wahrscheinlich schon,
und nach heute morgen sieht es so aus, als wären sie auch nicht ganz unbegründet gewesen, was? Es war bestimmt nicht das erste Mal.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich weiß es eben«, murmele ich und schiebe mir noch einen Keks in den Mund.
»Und was willst du jetzt machen?«
»Machen? Da gibt es nicht viel zu machen. Wir sind fertig miteinander. Aus. Vorbei. Ich ertappe meinen Freund mit einer anderen im Bett. Das scheint mir irgendwie das Ende unserer Beziehung zu sein, oder?«
»Willst du nicht mit ihm darüber sprechen?«
»Gibt es da noch etwas zu besprechen?« Vorsichtig teste ich den Tee mit meiner Zunge. Eigentlich ist er jetzt genießbar, aber plötzlich ist mir nach etwas Stärkerem zumute. »Wenn unsere Beziehung stabiler wäre, könnten wir das vielleicht durchstehen, aber du weißt ja, wie es in letzter Zeit um uns stand.«
Emma nickt.
»Wie es eben um zwei Menschen steht, die überhaupt nicht zusammenpassen«, seufzt sie. »Auf eine Art hat er dir aber auch einen Gefallen getan.« Sie legt eine Hand auf meinen Arm und drückt ihn beruhigend. »So wie man ein verletztes Tier tötet. Man begeht in guter Absicht eine grausame Tat. Kurz und schmerzlos. Dieses Ende ist sicher furchtbar, Lexy, aber ich glaube, du wirst bald merken, wie gut das für dich war, auch wenn es dir jetzt noch nicht so vorkommt.«
»Stimmt... so kommt es mir nicht vor«, schluchze ich. Ich pruste wie ein Wal, aber nicht Wasser, sondern Krümel.
»Ich versuche nur, dir die gute Seite zu zeigen.« Emma grinst voller Hoffnung.
»Hat das alles etwa auch eine gute Seite?« schniefe ich zweifelnd, reiße ein weiteres Tuch von der Küchenrolle und putze mir deutlich hörbar die Nase.
»Aber natürlich. Du hast gerade Max verlassen.«
»Soll ich mich etwa darüber freuen?« frage ich ungläubig.
»Ich würde laut jubeln.«
»Ja, aber du bist nicht ich!«
»Gott sei Dank! Brr!« Sie schaudert. »Wenn ich du wäre, würde das bedeuten, daß ich mit ihm geschlafen hätte!«
Sie sagt das so, als ob sie von
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