Wachgeküßt
einem wirklichen Ekelpaket sprechen würde oder vom leibhaftigen Teufel. Vielleicht ist Max ja ein Ekelpaket. Aber das ist unfair. Schließlich hatten wir auch gute Zeiten, er hatte auch nette Züge – er muß für mich doch halbwegs okay gewesen sein, weil ich es so lange mit ihm ausgehalten habe, oder? Entweder das oder ich bin völlig blöd und naiv.
Momentan komme ich mir eher völlig blöd und naiv vor.
»Was soll ich bloß machen?« jammere ich. »Mit einem Schlag ist alles völlig anders. Gestern hatte ich noch einen Freund, ein Heim... das ist jetzt alles den Bach runter. Plötzlich bin ich wieder Single, und ich bin obdachlos. Das Haus gehört Max. Ich war doch nur ein gut zahlender Untermieter, gut zu gebrauchen für Sex und Sklavenarbeit und um sein Bankkonto flüssig zu halten.«
»Ich habe dir doch gesagt, daß du ohne ihn besser dran bist.« Emma lächelt mich zaghaft an.
»Vielleicht in bezug auf meine Gefühle. Dafür bin ich jetzt obdachlos. Hier in der Gegend eine Wohnung finden zu wollen ist so, als würde man in der Wüste Gobi nach Wasser suchen. Vor allem wenn man bedenkt, was ich mir leisten kann. Da kann ich gleich zu Sainsburys latschen und mir den größten Pappkarton besorgen, den sie haben.«
»Also, für dieses Problem habe ich die Lösung.« Emma stößt auf die Kekskrümel am Tassenboden und verzieht das Gesicht. »Du kannst bei mir einziehen.«
»Ehrlich?« frage ich voller Hoffnung und fühle mich gleich wieder etwas besser.
»Klar. Warum nicht?« sagt Emma mehr zu sich selbst als zu mir. »Ich habe ja ein freies Zimmer. Ich spiele sowieso mit dem Gedanken, es zu vermieten, damit meine Mutter es nicht mehr jedes Mal in Beschlag nimmt, wenn sie in die Stadt kommt. Du würdest mir einen Gefallen tun.«
»Glaubst du, daß du damit zurechtkommst, wenn ich immer hier bin?«
»Warum nicht? Wir werden uns sicher nicht hassen, uns die Augen auskratzen, uns erdolchen oder sonst was antun.«
»Ich dachte, du wolltest mich dazu bewegen, die guten Seiten des Lebens zu sehen! Als ich sagte, daß ich obdachlos bin, sollte das kein Wink mit dem Zaunpfahl sein. Wenn du der Meinung bist, daß es nicht gutgeht, kann ich immer noch für eine Weile zu meiner Mutter ziehen, bis ich etwas anderes finde.«
»Himmel, nein!« Bei dem Gedanken reißt Emma vor Entsetzen die Augen auf. »Ich bin deine beste Freundin. Meinst du wirklich, ich würde dir das zumuten?«
»So schlimm ist sie nun auch wieder nicht. Manchmal ist sie sogar ganz vernünftig. Im Gegensatz zu deiner.«
Emmas Mutter ist eine zweite Joan Crawford. Eigentlich ist sie sogar wie Joan Crawford und Debbie Reynolds in einer Person, beider Körpergewicht mit eingerechnet. »Paranoide Schizophrene« wäre eine passende Beschreibung – ein lebender, atmender, selbstsüchtiger Alptraum. Es ist unglaublich, daß Emma ein so vernünftiger Mensch geworden ist, obwohl ich zugeben muß, daß auch sie ihre schlimmen Phasen hat.
»Nein, solange wir ein paar Grundregeln beachten, geht es bestimmt gut. Ich glaube sogar, daß wir wirklich eine schöne Zeit haben werden... Was meinst du?«
»Max hat sich sowieso immer darüber beklagt, daß ich die Hälfte meines Lebens mit dir verbringe, und ich habe wirklich überhaupt keine Lust, immer den weiten Weg von meinen Eltern hierher zu pendeln...«
Obwohl das Angebot sehr verlockend klingt, habe ich noch Zweifel. Alles scheint so schnell zu gehen. Max kriegt mal eben einen Steifen, und bei mir ändert sich so mal eben das ganze Leben. Es sei denn, man findet, daß das Leben in der Wohngemeinschaft so ziemlich das gleiche ist, wie das Zusammenwohnen mit dem Partner – von der sexuellen Komponente einmal abgesehen. Ems und ich sind, wie es scheint, seit ewigen Zeiten miteinander befreundet, tatsächlich aber seit 17 Jahren. Wir sind zusammen groß geworden, haben zusammen die Pubertät durchgestanden, dem ersten Date entgegengefiebert, Jobs gesucht, Männer kennengelernt, sogar die ersten Falten haben wir zusammen entdeckt – und beklagt. Wir haben während der gesamten Schul- und Studienzeit zusammengehangen, aber niemals zusammen gewohnt. Es könnte also der Anfang vom Ende einer wunderbaren Freundschaft sein.
»Es muß ja nicht auf Dauer sein«, werfe ich zögernd ein.
Emma nickt zustimmend. »Falls wir anfangen, einander abgrundtief zu verabscheuen...«
»... dann ziehe ich aus«, beende ich den Satz an ihrer Stelle.
Sie grinst mich an. Der Gedanke wird immer verlockender.
»Es würde
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