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Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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worden waren und nun der Einlösung harrten. Der Gerzensteiner, um den es sich handelte, hatte mit der Kantonalbank vor einer Woche ein Abkommen getroffen. Die Wechsel waren heute fällig gewesen, die Bank hatte sie vor einer Woche mit Ach und Krach auf acht Tage verlängert (prolongiert schrieb der Notar). Also heute in acht Tagen mußten sie bezahlt werden. Zehntausend Franken. Ein ordentlicher ›Schübel‹ Geld. Münch nannte den Namen des Akzeptanten nicht, er war nicht schwer zu erraten… Und einkassiert hatte der Witschi das Geld. Vor sechs Monaten…
    Dieser Witschi mußte es faustdick hinter den Ohren gehabt haben, er mußte ordentlich Geld verputzt haben. Wohin war das Geld gekommen? Spekulationen? Vielleicht. Münch schrieb, Witschi sei knapp vor dem Konkurs gestanden (und merkwürdigerweise stand auch der Gerzensteiner Bürger knapp vor dem Konkurs… ) Der Notar erzählte eine merkwürdige Geschichte. Er schrieb:
»Außerdem muß ich Dir, lieber Wachtmeister, noch eine sonderbare Geschichte erzählen. Du erinnerst Dich doch noch, daß ich Dir damals, beim Billardspielen, als wir den alten Ellenberger sahen, erzählte, Ellenberger sei bei mir gewesen, um eine zweite Hypothek, die er auf dem Hause des Wendelin Witschi habe, zu kündigen. Nun stimmt das nicht ganz. Ellenberger war schon einmal bei mir gewesen, eine Woche vorher und hatte mir eine Schuldverschreibung in der Höhe von fünfzehntausend Franken gebracht, die Witschi ihm ausgestellt hatte. Als Pfand hatte er eine Lebensversicherung hinterlegt, die auf zwanzigtausend Franken lautete. Ellenberger hatte es übernommen, die Prämie zu zahlen. Nun weiß ich nicht, was ihn bewogen hat, aber Ellenberger wollte zurücktreten. Er verlangte die Rückzahlung der betreffenden Summe sowie die Vergütung der gezahlten Prämien und forderte mich auf, dies Witschi mitzuteilen. Ich telephonierte Montag nachmittag (also am 1. Mai) dem Witschi nach Gerzenstein, er möge mich in meinem Bureau aufsuchen. Er kam gegen siebzehn Uhr zu mir. Ich teilte ihm den Entschluß seines Gläubigers mit. Witschi regte sich sehr auf, sagte, er sei ein ruinierter Mann, es bleibe ihm nichts anderes übrig, als sich das Leben zu nehmen. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß dies die Sache nicht ändern werde, sie werde dadurch nur schlimmer, denn die Versicherung würde sich alsdann weigern, die Summe auszuzahlen…«
    Es kamen einige technische Ausführungen und dann fuhr der Notar Münch fort:
»Witschi begann zu jammern, er schimpfte auf seine Frau und auf seinen Sohn, die ihm das Leben zur Hölle machten, wie er sich ausdrückte. Ich versuchte ihn zu beruhigen. Aber er regte sich immer mehr auf, plötzlich zog er einen Revolver aus der Tasche und drohte mir, er werde sich in meinem Bureau erschießen, wenn ich ihm nicht zu Hilfe käme. Der Mann begann mir auf die Nerven zu fallen, ich wollte ihn los sein, er klagte und jammerte weiter: der Gemeindepräsident wolle ihn internieren lassen… Ich schnitt ihm das Wort ab: Das gehe mich gar nichts an, er solle machen, daß er aus meinem Bureau komme, ich könne solchen Lärm nicht brauchen. Da begann er wieder zu weinen, nein, er wolle nicht gehen, bis er nicht einen Rat erhalten habe. Ich konnte ihm aber keinen Rat geben und sagte ihm dies. Jetzt werde er sich also erschießen, sagte Witschi. Ich darauf: Aber nicht in meinem Bureau. Da habe er nicht die rechte Ruhe dazu, aber ich hätte eine leerstehende Kammer, wenn er sich dorthin bemühen wolle, so werde er dort die beste Gelegenheit haben, sich aus er Welt zu schaffen. Du wirst natürlich denken, lieber Wachtmeister, daß ich ein herzloser Mensch bin. Aber das bin ich gar nicht. Nur mußt du bedenken, daß ich in meiner Praxis schon viele derartige Fälle gehabt habe; Selbstmorddrohungen sind bequeme Erpressungsversuche. Die Leute wollen sich gar nicht umbringen, sie wollen nur Eindruck machen und versuchen, etwas herauszuschinden. Ich sage dir das vertraulich und du wirst mich verstehen.«
    Studer schüttelte den Kopf. War es bei Witschi nicht doch vielleicht eine echte Verzweiflung gewesen? Er sah den Wendelin vor sich, wie er auf dem Schragen lag im hellen, allzu weißen Raum des Gerichtsmedizinischen… Der ruhige, schier erlöste Ausdruck auf seinem Gesicht… Münch schrieb weiter, und was er schrieb, schien eigentlich dem Notar recht zu geben:
»Ich führte den Wendelin in eine abgelegene Kammer und sagte zu ihm: ›Bitte!‹ Dann schloß ich die Türe. Ich war noch

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