Wachtmeister Studer
mit einem Wappen geschmückten Siegelring drehte und sagte:
»Ich begreife Sie nicht, Herr Studer. Die Sache ist doch erledigt. Wir haben das Geständnis des Burschen, es ist vollständig, er gibt an… er gibt an…« Der Untersuchungsrichter ließ den Ring sein und suchte nervös auf dem Tisch. Endlich kam der blaue Pappdeckelumschlag zum Vorschein, dessen Etikette die Worte trug: ERWIN SCHLUMPF MORD.
»Er gibt an…« sagte der Untersuchungsrichter zum drittenmal und kämpfte mit den aufsässigen Seiten, »ah… hier: Ich habe dem Herrn Witschi abgepaßt, habe ihn mit vorgehaltenem Revolver gezwungen abzusteigen. Er ist mir in den Wald gefolgt, allwo ich ihn gezwungen habe, mir seine Brieftasche auszuliefern, sowie seine Uhr und sein Portemonnaie. Ich weiß nicht, was mich dazu bestimmt hat, ihn nachher mit einem Schusse niederzustrecken, aber ich denke, ich habe Angst gehabt, daß er mich erkannt hätte, obwohl ich ein schwarzes Tuch über die untere Hälfte meines Gesichtes gebunden hatte… (Auf Befragen) Ich brauchte notwendig Geld, um mir ein Fahrrad zu kaufen.«–
Der Untersuchungsrichter stockte. Studer schneuzte sich und blies Trompetensignale, unterbrach sie, nieste, aber das Niesen gemahnte an ein unterdrücktes Kichern. Schließlich beruhigte er sich und fragte mit tränenden Augen:
»Hat das Schlumpfli wortwörtlich so gesprochen? Ich meine, Sätze wie: ›allwo ich ihn gezwungen habe, mir seine Brieftasche auszuliefern…‹ und: ›…was mich dazu bestimmt hat, ihn nachher mit einem Schusse niederzustrecken…‹ Hat er das wirklich so gesagt?«
Der Untersuchungsrichter war beleidigt.
»Sie wissen doch, Wachtmeister«, sagte er streng, »daß es uns obliegt, die Aussagen zu formulieren. Wir können doch nicht das ganze Gerede eines Angeklagten stenographieren. Die Akten würden zu Bänden anwachsen…«
»Ja, sehen Sie, Herr Untersuchungsrichter, das scheint mir immer ein großer Fehler. Ich würde die Worte der Angeklagten sowohl, als auch der Zeugen, nicht nur stenographieren, sondern die Worte auf Platten aufnehmen lassen. Man bekäme dann jeden Tonfall heraus…«
Schweigen. Der Untersuchungsrichter war anscheinend beleidigt. Studer beschloß, ihn zu versöhnen. Er stand auf, ging zum offenen Kamin, der in einer Ecke des Raumes stand – und ein Holzfeuer flackerte darin, im Mai! – stellte sich mit dem Rücken dagegen und wärmte sich die Schuhsohlen.
»Die Sache ist die, Herr Untersuchungsrichter, daß ich einige Merkwürdigkeiten an dem Falle bestätigt gefunden habe. Darum fällt es mir schwer, an die Schuld des Schlumpf zu glauben. Ich habe einen Zeugen mitgebracht, den ich gerne dem Burschen gegenüberstellen möchte. Er ist draußen im Gang. Nun sollten sich die beiden aber vorerst nicht sehen. Haben Sie nicht einen Raum, in dem mein Zeuge warten könnte? Ich werde ihn rufen, wenn es nötig sein wird.«
Der Untersuchungsrichter nickte. Er drückte auf einen Knopf und gab dem eintretenden Polizisten den Befehl, die Person, die mit dem Wachtmeister gekommen sei, ins Wartzimmer zu tun (wie beim Zahnarzt, dachte Studer) und dann den Schlumpf Erwin vorzuführen.–
Schlumpfs erste Worte waren:
»Aber ich hab' doch gestanden, was wollt Ihr noch?«
Dann erst sah er den Wachtmeister, nickte ihm zu, hob kaum die Augen und wollte sich zu dem Stuhl schleichen; aber Studer ging ihm entgegen, streckte ihm die Hand hin:
»Und, Schlumpfli, wie geht's seit dem letztenmal?«
»Nicht gut, Wachtmeister«, sagte Schlumpf und ließ seine Hand bewegungslos in der des anderen liegen. Studer drückte die schlaffe Hand.
»Du hast dich anders besonnen, Schlumpfli, hab' ich gehört?«
»Ja, es hat mich zu arg gedrückt.«
»A bah«, machte Studer und lächelte. Schlumpf blickte erstaunt auf.
»Ja, glaubt Ihr mir nicht, Wachtmeister?«
»Ich glaub' noch immer das, was du mir im Zug erzählt hast.« Studer nieste.
»G'sundheit«, sagte Schlumpf mechanisch. Er hockte auf dem Angeklagtenstuhl, hielt den Kopf gesenkt, manchmal schielte er nach Studer hin, als ob von dort eine Gefahr drohe. Er sah aus wie ein Schulbub, der das Kommen einer Ohrfeige wittert und nicht den Augenblick verpassen will, sie mit gehobenen Ellenbogen zu parieren.
»Ich will dir nichts tun, Schlumpfli«, sagte Studer, »ich will dir nur helfen. Hast du den Mann gekannt, der gestern wegen Autodiebstahl eingeliefert worden ist?«
Es gab Schlumpf einen Ruck. Er riß die Augen auf, riß den Mund auf, wollte sprechen, aber da
Weitere Kostenlose Bücher