Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wachtmeister Studer

Wachtmeister Studer

Titel: Wachtmeister Studer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
Vielleicht war der Armin gar kein schlechter Kerl. Man müßte mit dem Burschen einmal reden, hatte Studer gedacht und in sich hineingelächelt: Wachtmeister Studer als Heiratsvermittler!…
    Sonja wartete auf eine Antwort. Sie blickte erwartungsvoll auf Studer.
    »Der Armin wird schon wieder kommen«, sagte er. »Geh' jetzt mit der Frau Murmann. In einer Stunde fahren wir.«
    Und Sonja ging.
    Studer setzte sich an den Schreibtisch. Er nahm ein Folioblatt, legte es vor sich hin und schrieb ganz oben, in die Mitte des Bogens, das Wort:
    BILANZ
    Dann begann er nachzudenken. Aber auch hier sollte er nicht weiterkommen. Eine der Haupteigenschaften des Falles Witschi schien die zu sein, daß es unmöglich war, irgendeinen Teil zu einem Abschluß zu bringen. Hatte er nicht zum Beispiel gestern das Verhalten Ellenbergers und des Gemeindepräsidenten beim ›Zuger‹ beobachten wollen? Was war dazwischen gekommen? Natürlich ein Telephon, dann die Entdeckung Schreiers…
    Und jetzt meldete sich selbstverständlich das Schrillen der Telephonklingel. Studer hob den Hörer ab, sagte, wie er es in seinem Bureau in Bern gewohnt war:
    »Ja?«
    »Bist du's, Studer?« fragte eine Stimme. Es war der Polizeihauptmann.
    »Ja«, sagte Studer. »Was ist los?«
    »Also paß auf. Der Reinhardt hat heut' morgen die Waffengeschäfte abgeklopft. Gleich beim ersten hat er Glück gehabt. Der Besitzer war schon im Laden, und er hat sich gut erinnert, daß er vor vierzehn Tagen einen Browning verkauft hat. Marke stimmt, Nummer stimmt. Er erinnert sich auch an den Mann, der ihn gekauft hat…«
    »Und?« fragte Studer, da der Hauptmann schwieg.
    »Bist ungeduldig? Keine Aufregung, Studer. Du blamierst dich ja doch wieder… Hä?… Du bist so still, Studer. Also, der Reinhardt hat mir erzählt, der Waffenhändler erinnere sich noch gut an den Käufer. Es war ein alter Mann, dem alle Zähne gefehlt haben, er hat ein halbleiniges Kleid getragen. Dem Verkäufer ist noch aufgefallen, daß der Mann braune moderne Halbschuhe getragen hat und schwarze seidene Socken. Er hat keinen Namen angegeben…«
    »Das ist auch nicht nötig gewesen.« Studer sprach stockend. Es war einerseits schwierig, diese Neuigkeit zu verdauen, andererseits hatte man etwas Ähnliches erwartet…
    »Du, paß gut auf«, sagte Studer. »Ich schick' dir einen Browning, ich geb' ihn expreß auf, und dann wird dir das Gerichtsmedizinische die Kugel schicken, die im Schädel vom Witschi steckengeblieben ist. Hast du einen Sachverständigen bei der Hand? Ja? Gut. Du übergibst ihm beides und läßt dir ein Gutachten machen, ob die im Kopfe des Witschi gefundene Kugel aus dem Browning stammt, den ich dir schicke. Und der Reinhardt soll noch die andern Geschäfte abklopfen. Vielleicht ist eine zweite Waffe von der gleichen Marke verkauft worden. Verstanden? – Und das Gutachten brauch' ich heut' abend. Spätestens um fünf. Auf Wiedersehen…«
    Studer hing den Hörer ganz vorsichtig an die Gabel, stützte die Wange auf seine Faust. Dabei fiel sein Blick auf das Wort ›BILANZ‹, das er sorgfältig an den Kopf eines weißen Folioblattes gesetzt hatte. »Das hat Zeit«, dachte er, strich das Wort durch, faltete das Blatt vorsichtig zusammen und steckte es in die Rocktasche.
    Nasse Socken sind unangenehm. Besonders wenn man fühlt, daß der Schnupfen, der sich vor zwei Tagen gemeldet hat, im Begriffe ist, sich in einen schweren Katarrh zu verwandeln. Schließlich, in einem gewissen Alter, wird man empfindlicher, man hängt mehr am Leben, man fürchtet sich vor einer Lungenentzündung, man möchte trockene Wäsche anziehen, um dieser Gefahr zu entgehen. Aber wenn dies nicht möglich ist (man kann doch einen hocheleganten Untersuchungsrichter mit seidenem Hemd nicht einfach bitten: »Können Sie mir vielleicht ein Paar trockene Socken leihen?…«), so beißt man die Zähne zusammen, auch wenn die Zähne den undisziplinierten Vorsatz gefaßt haben, ein klapperndes Geräusch zu erzeugen…
    Das kam davon, wenn man sich wie ein Zwanzigjähriger auf ein Töff setzte und im strömenden Regen fünfundzwanzig Kilometer fuhr. Und es war eigentlich gar kein Trost, daß Sonjas Strümpfe auch naß waren.
    Besagte Sonja wartete draußen im Gang. Sie saß klein und zusammengekauert auf einer Holzbank, und ein Polizist patrouillierte vor ihr auf und ab.
    Studer saß wieder auf dem allzu kleinen Stuhl, der sicher für die Angeklagten bestimmt war, saß dem Untersuchungsrichter gegenüber, der an seinem

Weitere Kostenlose Bücher