Wachtmeister Studer
sagte der Untersuchungsrichter:
»Was soll das, Wachtmeister?«
»Nichts, Herr Untersuchungsrichter. Der Schlumpf hat schon geantwortet.« Dann, nach einer kleinen Pause: »Ich darf doch rauchen?« und zog ein gelbes Päckchen aus der Tasche. Grinsend: »Eine Zigarette. Und auch der Schlumpf wird gern eine nehmen. Es reinigt die Atmosphäre.«
Der Untersuchungsrichter mußte wider Willen lächeln. Ein komischer Kauz, dieser Studer… In einer Ecke stand ein einsamer Stuhl. Studer packte ihn an der Lehne, schwang ihn ins Zimmer, setzte sich rittlings darauf, stützte die Unterarme auf die Lehne, blickte Schlumpf fest an und sagte:
Warum schwindelst du den Herrn Untersuchungsrichter an? Das ist doch Chabis, du hast doch den Witschi ganz anders umgebracht. Du hast ihn aufgehalten, das kann vielleicht stimmen, hast ihm gesagt, es wolle ihn jemand sprechen, und wie er dann vor dir hergegangen ist, hast du ihn erschossen. Dann hast du die Leiche umgedreht, die Brieftasche genommen – stimmt's? Wie du die Leiche verlassen hast, ist sie auf dem Rücken gelegen, nicht wahr? Sag' jetzt die Wahrheit. Lügen nützt nichts. Ich weiß es.«
»Ja, Herr Wachtmeister. Auf dem Rücken ist er gelegen, der Mond hat geschienen, und der Witschi hat mich angeglotzt… Ich bin gelaufen, gelaufen…«
Studer stand auf, er schwenkte die Hand, wie ein Artist im Zirkus: »Quod erat demonstrandum – was zu beweisen war.«
Er war mit zwei Schritten am Tisch, blätterte im Aktenbündel, riß eine Photographie heraus, hielt sie Schlumpf unter die Nase:
»So ist er gelegen, der Witschi, auf dem Bauch ist er gelegen, du Löli, verstehst? Und er hat unmöglich auf dem Rücken liegen können, weil keine Tannennadel auf seiner Kutte sind. Verstehst du das?«
Und dann, zum Untersuchungsrichter gewandt:
»Ist nicht noch eine Photographie da? Auf der nur der Kopf drauf ist?«
Der Untersuchungsrichter war aus der Fassung geraten. Er stöberte im Aktenbündel. Doch, es war noch eine Photographie da, er wußte es. Zwei, die den ganzen Körper des Witschi zeigten, eine, auf der nur der Kopf war, der Kopf mit der Wunde hinter dem rechten Ohr und rundherum der Waldboden, mit Tannennadeln bedeckt. Er fand sie endlich und reichte sie Studer.
»Die Lupe«, sagte der Wachtmeister. Es klang wie ein Befehl.
»Hier, Herr Studer.« Der Untersuchungsrichter wurde ganz ängstlich. Wie lange mußte man sich noch den Anordnungen dieses Fahnders fügen?
Studer ging ans Fenster. Es war still im Zimmer. Der Regen pritschelte eintönig gegen die Scheiben. Studer starrte durch die Lupe, starrte, starrte… Endlich:
»Ich muß die Photo vergrößern lassen. Darf ich sie mitnehmen?«
Dies wäre eigentlich Sache der Untersuchungsbehörde«, sagte der Untersuchungsrichter und versuchte seiner Stimme einen abweisend sachlichen Ton zu geben.
»Ja, und dann geht es drei Wochen. Ich hab' einen Mann bei der Hand, der es mir bis heut' abend macht. Also ich kann sie mitnehmen?« Studer erwischte ein Kuvert auf dem Tisch, riß von einem Block einen Zettel ab, kritzelte ein paar Worte drauf, schloß das Kuvert, drückte auf den Klingelknopf. Der Polizist öffnete die Tür. Studer stand schon vor ihm.
»Nimm dein Velo, fahr auf den Bahnhof, expreß. Da ist Geld. Aber rasch!…«
Der Polizist schaute erstaunt auf den Untersuchungsrichter. Der nickte, etwas verlegen, dann sagte er:
»Aber zuerst führen Sie die Person herein, die mit dem Wachtmeister gekommen ist. Das haben Sie wohl vergessen, Herr Studer…«
Ganz richtig«, sagte Studer zerstreut. »Das hab' ich richtig vergessen.«
Er strich sich über die Stirn und massierte die Augendeckel mit Daumen und Zeigefinger.
Die schwarzen Punkte auf dem Nadelboden neben dem Kopf… was hatten die schwarzen Punkte zu bedeuten? Sie sahen aus wie winzige Teilchen verkohlten Zigarettenpapiers… Wenn man sie auf der Vergrößerung als solche erkennen könnte!… Schwierig, doch nicht ganz unmöglich… Dann… Dann hatte der Lehrer Schwomm vielleicht doch nicht gelogen, als er von zwei Schüssen sprach… Dann, ja, dann wurde die Sache bedeutend einfacher… Kinderleicht…
Ein kleiner, spitzer Schrei. Sonja stand in der Tür.
Schlumpf war aufgesprungen.
»Gebt euch doch die Hand, Kinder«, sagte Studer trocken aus seiner Ecke heraus.
Die beiden standen voreinander, rot, verlegen, mit hängenden Armen. Endlich:
»Grüeß di, Erwin.«
Antwort, gewürgt:
»Grüeß di, Sonja.«
»Hocked ab!« sagte Studer und stellte
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