Wachtmeister Studer
einem Abend…« Sonja wurde rot und schielte zu Schlumpf hinüber. Der stand aufrecht da, rauchte schweigend, sichtlich aufgeregt und nahm tiefe Lungenzüge…
»An einem Abend, da war ich allein mit dem Onkel Aeschbacher. Er war traurig. Es war Anfang Dezember. Draußen war's dunkel. Ich hab' die Lampe anzünden wollen. Da sagt der Onkel Aeschbacher: ›Laß die Lampe, Meitschi, mir tun die Augen weh.‹ Dann schweigt er und hält seine dicke Hand wie einen Schirm über die Augen.
Ich saß am Tisch. ›Es geht alles schief. Sie haben mich nicht in die Kommission gewählt…‹ In welche Kommission? hab' ich gefragt. ›Ah, das verstehst du nicht‹, sagt er drauf. Und ich soll ein wenig zu ihm kommen. Er saß in einem tiefen Lehnstuhl, ganz in einer finsteren Ecke. Ich bin hingegangen, er hat mich auf seine Knie genommen und mich festgehalten. Ich hab' gar keine Angst gehabt, denn er ist immer gut zu mir gewesen, der Onkel Aeschbacher.«
Seufzer.
Da plötzlich ist die Tür aufgerissen worden, das Licht ist angegangen. In der Tür steht der Vater und der Armin. ›So‹ sagt der Vater, ›hab' ich dich endlich erwischt, Aeschbacher. Was fällt dir ein, meine Tochter zu karessieren?‹ Der Onkel hat mich weggestoßen, ist aufgesprungen: ›Du bist besoffen, Witschi!‹ hat er gesagt. Und dann hat er mich fortgeschickt. Mehr hab' ich nicht hören können. Sie sind dann noch etwa eine Stunde beisammen gesessen. Der Armin war auch dabei. Von dieser Zeit an hat der Onkel kaum mehr mit mir gesprochen. Aber mit dem Vater ist es immer schlimmer geworden, der alte Ellenberger von der Baumschule hat ihm Papiere gegeben, die hat er in Bern umgewechselt. Dann verschwand der Vater immer auf eine Woche oder zwei aus Gerzenstein, kam dann wieder, müd, traurig. Wenn ich ihn fragte, wo er gewesen sei, sagte er nur: ›In Genf.‹ Einmal hab' ich den Vater zufällig in Bern getroffen. Auf der Hauptpost. Ich hab' ein pressantes Paket fürs Geschäft aufgeben müssen. Er hat mich nicht gesehen. Er stand vor einem Postfach, nahm Briefe heraus, riß die Kuverts auf und warf sie dann weg. Er sah traurig aus, der Vater, er ging aus der Halle wie ein alter Mann. Ich hab' dann ein Kuvert, das er weggeworfen hat, aufgelesen. Es kam von einer Bank in Genf.«
»Spekuliert, weiter spekuliert…«, sagte Studer leise und der Untersuchungsrichter nickte.
Man kann den Wendelin entschuldigen, dachte Studer. Er hat's für die Familie getan. Hat das Geld zurückholen wollen, das Geld der Frau…
Da sprach Sonja weiter:
»Er ist immer öfter zum Ellenberger gegangen, damals.
Er hat auch viel getrunken, der Vater. Nicht regelmäßig. Aber so alle Wochen ein oder zweimal ist er betrunken heimgekommen. Einmal hab' ich ihm Schnaps holen müssen. Einen halben Liter. Er ist früh in sein Zimmer hinauf. Die Mutter war an dem Abend beim Onkel Aeschbacher eingeladen. Sie ist erst spät heimgekommen. Am nächsten Morgen war die Flasche leer. Ich hab' sie fortgeworfen, damit die Mutter sie nicht sieht.«
Wieder das Schweigen. Man sah es dem Untersuchungsrichter an, daß er ungeduldig wurde. Aber Studer beruhigte den nervösen Herrn mit einer beschwichtigenden Handbewegung.
»Heut' vor acht Tagen bin ich wie gewohnt um halb sieben heimgekommen. Der Vater war schon da. Er stand im Wohnzimmer, beim Klavier und hörte mich nicht kommen. Ich hab' geschaut, was er macht. Er hat die Vase, die immer auf dem Klavier steht, in der Hand gehalten, hat sie geschüttelt, es hat geklirrt, dann hat er sie wieder an ihren Platz gestellt und das Herbstlaub geordnet. ›Was machst du da, Vater?‹ hab' ich gefragt. Er ist ein wenig erschrocken. Ich hab' dann nicht weiter gefragt. Am nächsten Morgen bin ich als erste aufgestanden. Es waren fünfzehn Patronenhülsen in der Vase. Ja!«
Sonja sah den Untersuchungsrichter an, sah Schlumpf an. Sie schien auf laute Rufe des Erstaunens zu warten. Aber die beiden blieben stumm. Einzig Studer, vor der Schreibmaschine, auf der er noch kein Wort getippt hatte, winkte ab:
»Das wissen wir. Wir haben auch die Tür gefunden, die deinem Vater als Schießscheibe gedient hat…«
Da wurde endlich der Untersuchungsrichter doch von Neugierde geplagt. Und Studer mußte von der Entdeckung im dunklen Schuppen erzählen, von dem abgehobelten Rechteck auf der altersschwarzen Tür und von den Einschußöffnungen, die keine Pulverspuren an den Rändern gezeigt hatten.
Der Untersuchungsrichter nickte.
»Und wie war es am Dienstagabend, was
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