Wackelkontakte - Kein Sex geht gar nicht
war gelaufen. Ohne Kaffee konnte ich gleich wieder ins Bett gehen, da halfen auch keine Dusche oder ein Eimer kaltes Wasser.
»Meinst du etwa die hier?« Tina machte einen Schritt zur Seite und präsentierte mir eine blitzblank geputzte Kaffeemaschine von Tchibo. »Die haben wir gestern schon ausgepackt und sogar programmiert. Allerdings erst auf neun.«
»Oh, ihr seid, ihr seid … « Ich konnte es in Worten kaum ausdrücken. Ich und meine Kaffeemaschine, meine Kaffeemaschine und ich. Das war eine unglaublich tiefgehende Freundschaft, die sich Außenstehenden selten erschloss, ja sogar meist belächelt wurde. Dabei war es so einfach. Es war im Prinzip meine einzige Beziehung, bei der das Verhältnis von Geben und Nehmen perfekt ausgeglichen war. Ich füllte sie jeden Abend mit zehn Teelöffeln voll karamellisiertem Röstkaffee von Tchibo und kaltem Wasser, und sie begrüßte mich dafür jeden Morgen mit pechschwarzem Kaffee. Wir waren ein so gut eingespieltes Team, dass ich mir morgens einen Becher Kaffee einschütten und damit wieder ins Bett verschwinden konnte, ohne überhaupt meine Augen aufmachen zu müssen. Sie verstand meine muffelige Wortlosigkeit am Morgen und verlangte auch keine Rechenschaft über meinen hin und wieder verkaterten Kopf. Wie auf Befehl sprang die Uhr an der Kaffeemaschine auf neun, und in ihr begann es zu gluckern und zu brodeln.
»Ihr seid einfach wunderbar.«
Einige Minuten später saßen wir mit frischen Schoko-Croissants und Kaffee auf dem Fußboden in der Küche, und mit jedem Schluck strömte wieder Energie in meinen von Telefonhörer und Wein malträtierten Körper.
»Also Karina, Schätzchen, so kann das auf gar keinen Fall weitergehen«, stellte Tina fest. Dabei hatte es doch gerade erst angefangen. Vor einer halben Stunde hatte ich noch mit den Symptomen eines frühzeitigen Hirnschlags zu kämpfen gehabt, und jetzt saß ich schon aufrecht und mit einer Tasse Kaffee in der Hand in der Küche. Ich hielt das für einen beeindruckenden Fortschritt, aber Tina war da anderer Meinung.
»Kaum lassen wir dich alleine, lässt du dich gehen. In deiner Wohnung herrscht immer noch ein Megachaos, du trinkst eine Flasche Wein nach der anderen und, schau mich mal an, o Gott, nee, Süße, deine Haare sehen aus, als hättest du heute Nacht mit dem Finger in der Steckdose geschlafen.«
Tina konnte sehr aufmunternd sein, wenn sie wollte. Ich schaute Özlem hilfesuchend an, aber sie nickte nur zustimmend: »Genau, und deswegen haben wir einen Plan erstellt. Einen Dreipunkteplan eigentlich, aber wenn ich dich so anschaue, werden es wohl noch ein paar Punkte mehr.«
Ich überlegte, ob ich die beiden einfach ignorieren, mich wieder ins Bett legen und den Morgen noch einmal in Ruhe beginnen sollte, wie ich es gewohnt war, oder ob ich die beiden aus meiner Wohnung schmeißen und mich wieder ins Bett legen sollte, um den Morgen noch einmal in Ruhe zu beginnen, so wie ich es gewohnt war. Eine dritte Alternative fiel mir nicht ein, denn wenn ich den beiden noch länger zuhören musste, würde mein Selbstwertgefühl sehr wahrscheinlich einen erheblichen Schaden erleiden.
»Also, der Dreipunkteplan heißt Aufräumen-Friseur-Einkaufen«, erklärte Özlem stolz.
Ich war baff. Ihr Plan umfasste wirklich tiefgreifende Veränderungen in meinem Lebenswandel, wobei der Friseur eindeutig auf Tinas Mist gewachsen sein musste. Sie wechselte mit jedem Freund auch ihre Frisur. Özlem schaute mich an, als hätte sie vor den Vereinten Nationen gerade den neuesten Friedensplan für den Nahostkonflikt vorgestellt. »Und? Was meinst du?«, fragte sie aufgeregt.
Aber bevor ich etwas sagen konnte, hatte Tina schon wieder die Initiative übernommen. »Also, das machen wir so. Zuerst räumen wir deine Bude auf und richten alles so weit ein, dass es, na ja, einigermaßen wohnlich wird. Um halb zwölf haben wir einen Termin für dich bei Henning, und heute Nachmittag gehen wir shoppen. Du willst ja nicht ewig in deinen alten Klamotten herumlaufen. Außerdem brauchst du ein paar schicke Sachen für deine zukünftigen Vorstellungsgespräche. Ist doch ganz einfach, oder?«
Na klar. Für sie war immer alles ganz einfach. Wahrscheinlich hatte sie ihr ganzes Leben lang Dreipunktepläne verfolgt. Zeugung–Embryo–Geburt. Schreien–Essen–Schlafen. Kindergarten–Grundschule–Gymnasium. Verlieben–Sex–Trennung. Ausbildung–Geldverdienen–Selbständigmachen. Bei ihr lief immer alles so perfekt nach Plan, dass sie die
Weitere Kostenlose Bücher