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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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gewöhnlich, und seine Statur war im Vergleich zu der seiner Altersgenossen eher zartgliedrig als kräftig gebaut, andererseits aber auch nicht so auffällig, dass man auf der Straße mit einem Finger auf ihn gezeigt hätte.
    Andion seufzte schwer, und seine Schultern sanken herab. Nein, das Problem war weder die Form seines Gesichts noch seines restlichen Körpers – es waren seine Augen. Denn wo seine übrige Erscheinung so unspektakulär war, dass sie höchstens einem Straßenräuber um Mitternacht zu einer eingehenderen Musterung Anlass gegeben hätte, waren seine Augen so auffällig wie Blutflecken auf einem frisch geweißten Laken.
    Offenbar – und in Anbetracht all seiner anderen absonderlichen Schrullen wenig überraschend – litt er an einer äußerst seltenen Form von Pigmentstörung, die dem bunten Strauß bizarrer Merkwürdigkeiten eine weitere faszinierende Blüte hinzufügte. Während nämlich die Augen der anderen immer gleich blieben, veränderten seine sich ständig, wandelte sich das tiefe Grün ihrer Iris wie die Blätter eines Waldes, in dem Licht und Schatten bei jedem Luftzug verspielt miteinander abwechselten. Mal war es so leuchtend und hell wie die ersten zarten Spitzen der Gräser unter den wärmenden Strahlen der Frühlingssonne, dann wieder dunkel, fast schwarz, wie die rauschenden Wipfel uralter Tannen, die im grauen Zwielicht eines Wintersturms ächzten und knarrten, wenn der eisige Nordwind an ihren Ästen riss.
    Wodurch diese Veränderungen hervorgerufen wurden – ob sie willkürlich und spontan auftraten, ohne irgendeine auslösende Ursache, die ihnen voranging, oder ob vielleicht eine skurrile psychosomatische Reaktion dahintersteckte, oder das Wetter, oder ob die gelangweilten Mächte des Universums nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip darüber entschieden -, war ihm nach all den Jahren noch immer nicht ganz klar, aber letztlich hätte auch sein Wissen nichts an der schockierenden Wirkung geändert, die das unheimliche Farbenspiel seiner Augen auf die Menschen in seiner Umgebung ausübte. Was wohl auch kein Wunder war, denn er besaß die Augen seines Vaters; das zumindest hatte Ian ihm erzählt, und er zweifelte nicht daran. Es sollte ihn also nicht überraschen, dass all jene, die ihn ansahen, auch einen Teil des Wahnsinnigen in ihm entdeckten, der ihn gezeugt hatte.
    Erneut musste Andion gegen die Tränen ankämpfen, doch gerade, als er vollends in Trübsinnigkeit zu versinken drohte, wirbelte eine Windböe über den Hof, schien alle anderen Schüler zu ignorieren und zupfte verspielt an seinem Haar. Der leichte Lufthauch war wie ein Streicheln auf seiner Haut, sanft, neckisch und aufmunternd. Unwillkürlich legte Andion den Kopf schief und lauschte. Tausend wispernde Stimmen schienen plötzlich die Luft zu erfüllen, flüsterten leise in sein Ohr.
    „Andion. Andion.“
    Sein Name. Er hörte ihn oft im Wind, und wie früher, als er ein Kind gewesen war, stellte er sich vor, die Sylphen wären gekommen – jene Geister des Windes, die nach dem Niedergang der großen Elfenhaine in den Elementen der Menschenwelt aufgegangen waren -, um in seinen düstersten Momenten, wenn Kummer und Einsamkeit übermächtig zu werden drohten und er glaubte, alles nicht mehr ertragen zu können, bei ihm zu sein, um die Schatten zu vertreiben und ihm Trost zu spenden. Natürlich war ihm klar, dass eine solche Fantasie lediglich ein weiterer Beleg für seinen doch eher zweifelhaften Bezug zur Realität war, ein weiteres Indiz, dass das Erbe seines verrückten Killervaters in ihm besorgniserregende Früchte trug. Dennoch – die Stimmen hatten stets etwas Tröstliches gehabt, und auch heute schienen sie ihn aufmuntern zu wollen. Übel würde es wohl erst dann werden, wenn statt jenes sanften Flüsterns hasserfülltes Geifern durch seinen Schädel hallte. Hoffentlich kam es nie dazu.
    Trotz dieser schweren Gedanken fühlte er sich nun etwas besser, und seine Stimmung hellte sich weiter auf, als er merkte, wie sich, mit jedem seiner Schritte lauter und kraftvoller werdend, ein neuer Klang in das Raunen und Flüstern wob, eine neue Melodie, die ihn einhüllte, sich wie ein wärmender Mantel um ihn legte und die eisigen Katakomben seiner Seele mit Zuversicht und neuer Hoffnung füllte. Sein Herz begann vor Freude schneller gegen seine Rippen zu schlagen, und fast glitt so etwas wie ein Lächeln über sein von Kummer gezeichnetes Gesicht, während er dem Rascheln und Knistern der Blätter lauschte, die

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