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Wächter des Elfenhains (German Edition)

Wächter des Elfenhains (German Edition)

Titel: Wächter des Elfenhains (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gavénis
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leere Hand ihm verrieten, was passiert war.
    „Verdammter Bastard!“, brüllte er und holte aus.
    Andion sah den Schlag kommen, natürlich, doch er wich nicht aus. Er hatte sich bereits weiter vorgewagt, als gut und vernünftig war. Jetzt musste er die Konsequenzen auf sich nehmen.
    Kenneths Faust traf ihn hart im Gesicht. Andion stolperte einen Schritt zurück, gleichzeitig schnellten Ashton und Kevin vor, packten ihn grob an den Armen und pressten ihn gegen den Baum.
    Sofort spürte er den Aufruhr der Eiche, ihr Drängen wegzulaufen, sich in Sicherheit zu bringen. Tatsächlich hätte er Ashton und Kevin ohne große Probleme abschütteln können, doch er tat es nicht. Er hielt still, auch als Kenneth sich triumphierend grinsend vor ihm aufbaute und klar war, was folgen würde.
    Kenneth verschränkte seine Finger ineinander und ließ genüsslich seine Knöchel knacken. Ashton und Kevin bleckten die Zähne. Andion konnte spüren, wie die Vorfreude in ihnen anschwoll.
    „Mach ihn fertig!“, zischte Ashton; sein warmer Speichel sprühte Andion auf die Wange.
    Kenneth ließ sich nicht lange bitten. Er schlug Andion noch einmal mitten ins Gesicht. Die Wucht des Schlages schleuderte seinen Kopf zurück. Er fühlte, wie die Eiche ihre Rinde weich zu machen versuchte, trotzdem sah er Sterne, als ein scharfer Schmerz in seinem Hinterkopf explodierte. Blut rann feucht an seinem Kinn herab, sammelte sich bitter in seinem Mund. Der Schlag hatte seine Unterlippe aufplatzen lassen.
    Geschrei hob rings um ihn an. Andere Schüler waren auf das brutale Geschehen aufmerksam geworden, doch Andion brauchte keinen Blick auf die herbeiströmenden Schaulustigen zu werfen, um zu wissen, dass von ihnen keine Hilfe zu erwarten war. Er spürte die Hitze ihrer Erregung, ihre aufgepeitschten Emotionen, als sie Kenneth mit johlenden Rufen weiter anfeuerten, nach noch mehr Blut, noch mehr Schmerz gierten. Mühsam blinzelte er den Schleier fort und sah in ihre verzerrten Gesichter, in ihre hungrigen, vor fiebriger Erwartung glänzenden Augen und ihre aufgerissenen, grölenden Münder. Nein, eher würde der Hulk zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden, als dass sich einer von ihnen auf seine Seite stellte.
    Kenneths Brustumfang schien unter dem Jubel des Mobs gleich um mehrere Zentimeter anzuschwellen. Theatralisch schob er die Ärmel seiner Bomberjacke zurück und ließ die Muskeln seiner Oberarme spielen. Dann schlug er wieder zu. Dieses Mal traf er Andion in die Magengrube.
    Andion blieb die Luft weg. Schmerz pulsierte wie flüssiges Feuer durch seine Adern, irrlichterte noch Sekunden später auf seinen Nervenenden.
    Instinktiv spannte er die Muskeln. Nur ein Ruck, nur ein einziger Ruck, und er wäre frei. Er müsste diese Schläge nicht erdulden. Doch als er noch einmal in die Runde schaute, ging sein Blick tiefer, und er spürte nicht nur die Sensationsgier der anderen, nicht nur ihre schockierende Lust an Gewalt, sondern auch das, was dahinter lag: ihre Furcht. Furcht vor ihm. In Momenten wie diesem war sie noch viel stärker als sonst.
    Resigniert ließ er den Kopf sinken und rührte sich nicht. Sich zu wehren hätte die Situation nur noch verschlimmert.
    Kenneth geriet immer mehr in Ekstase. Drei, vier Mal drosch er ihm seine Faust in den Magen, dann wieder ins Gesicht, schließlich packte er ihn grob in den Haaren und schlug seinen Kopf gegen den Baum.
    Andion schwieg, gab keinen Laut von sich, stöhnte nicht, schluckte jeden Ausdruck des Schmerzes hinunter, während er verzweifelt in Richtung des Schulgebäudes lauschte. Die Glocke! Es musste doch endlich die Glocke ertönen!
    Doch sie tat es nicht, und kein Lehrer kam, um dem abscheulichen Spektakel Einhalt zu gebieten. Noch einmal fünf Schläge, begleitet von Applaus und wildem Geschrei. Andion sackte in die Knie; sein Blick verschwamm, während sein Körper in Schmerz ertrank. Doch noch war die Gier des Mobs nicht befriedigt. Kenneth würde weitermachen, immer weiter, bis das winzige Stückchen Rasen um die alte Eiche restlos mit seinem Blut getränkt war und er wie ein zerschnittener Regenwurm im Dreck zuckte. Und dann vermutlich seine Springerstiefel die Arbeit seiner Fäuste fortführen lassen.
    Wind hob an, fuhr wütend in die kreischende Menge. Andion hörte, wie er seinen Namen rief, lauter als je zuvor.
    „Andion! Andion! Wehr dich! Wehr dich!“
    Sein Blick verschwamm noch mehr, gleichzeitig schien die Welt um ihn herum auf eigenartige Weise in

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