Waechter des Labyrinths
Gewahrsamszelle bringen», sagte er. «Wir machen hier später weiter.»
III
Olympias Arme taten schon weh, als sie auf der Ayiou Konstandinou nach dem Bus Ausschau hielt. Die Bücher, die sie sich von Demetria geliehen hatte, wurden mit jeder Minute schwerer, aber der Gehweg war nach dem letzten Regen noch zu nass, um sie abzulegen. Sie sehnte sich danach, die Beine auszustrecken, doch es gab in der Nähe nur eine Bank. Auf der saß ein Mann, der sie aus dem Augenwinkel beobachtete, wobei er seine Hände auf dem Schoß liegen hatte und sich mit dem Daumen kitzelte. Es gefiel ihr zwar, wenn gutaussehende Männer sie anstarrten, aber bei so ekligen Typen fühlte sie sich beschmutzt.
Der goldene Ferrari fiel ihr sofort auf. Was nicht nur daran lag, dass der Wagen mit dem tiefen Motorenbrummen, der langen Haube und der polierten Karosserie unverschämt sexy aussah. Auffällig war vor allem, wie lässig der Fahrer die Spur wechselte und über die Straße glitt, als wäre es die Aufwärmrunde kurz vor einem Rennen. Neidisch sah Olympia ihn näher kommen. Sie mochte schöne Dinge. Als der Wagen plötzlich quer durch den Verkehr schwenkte und vor ihr anhielt, erstarrte sie beinahe. Sie beugte sich zum Fenster hinab, weil sie annahm, der Fahrer wolle nach dem Weg fragen. Doch stattdessen stieg der Mann aus, knallte die Tür zu und lächelte sie freundlich an.
«Kennen wir uns?», fragte sie.
Er schlenderte um den Wagen herum und kam auf sie zu. Er war etwas größer als der Durchschnitt, kräftig gebaut und sah auf eine Art gut aus, dass ihr mulmig wurde. Seinem Äußeren nach wirkte er wie Mitte oder höchstens Ende zwanzig, also gut zehn, zwölf Jahre älter als sie. Eine hohe Stirn, eine flache Nase und ein schmaler Ziegenbart, das dunkle Haar kurz geschoren wie ein Soldat – aber welcher Soldat konnte sich schon so ein Auto leisten? Wölfisch scharfe Eckzähne und derart strahlend blaue Augen, dass sie vermutete, er würde Kontaktlinsen tragen. Ein perfekt geschnittener Anzug über einem lässig geöffneten weißen Seidenhemd, Schuhe aus weichem Kalbsleder und eine goldene Uhr, die locker an seinem linken Handgelenk hing. «Lassen Sie mich das nehmen», sagte er in korrektem Griechisch, aber mit starkem Akzent. Dann griff er die obersten beiden Bücher.
«Was machen Sie denn da?», protestierte sie. Aber da sie den restlichen Stapel noch umklammert hielt, konnte sie ihn nicht aufhalten. Außerdem war er sowieso der Typ Mann, der tat, was er wollte, egal was man sagte. Er öffnete den kleinen Kofferraum, legte ihre Bücher hinein und kam zurück, um die übrigen zu holen. Sie schaute zu, wie er sie ebenfalls verstaute und dann die Haube zuschlug. «Was machen Sie denn da?», fragte sie erneut.
Er trat wieder zu ihr auf den Gehweg, noch immer höflich lächelnd, als wäre sein Verhalten das normalste der Welt. Doch am Pochen ihres Herzens spürte sie, dass es ganz und gar nicht normal war. «Was soll das?», fragte sie. Ihre Stimme versagte ein wenig. Hilfesuchend schaute sie zu den Erwachsenen hinüber. Aber die kümmerten sich alle um ihre eigenen Angelegenheiten. Selbst der Ekeltyp auf der Bank schaute nun in die andere Richtung. «Bitte geben Sie mir meine Bücher zurück.»
«Denen geschieht nichts», sagte er.
«Aber sie gehören mir nicht.»
«Die sind gut aufgehoben», sagte er und nahm ihre Hand. «Vertrauen Sie mir.» Seine Haut war etwas rau und fühlte sich an wie feinstes Sandpapier. Er schaute ihr mit einer Direktheit und Selbstsicherheit in die Augen, dass sie sich so lächerlich schwach fühlte wie an manchem Morgen, an dem ihr Kissen zu Boden fiel und sie einfach nicht die Kraft hatte, es wieder aufzuheben. Er nickte lächelnd, als würde er sie genau verstehen, als wollte er ihr zeigen, dass sie keine Angst haben musste, dass alles in Ordnung wäre. Dann öffnete er die Beifahrertür des Ferraris und forderte sie mit einer kaum wahrnehmbaren Geste zum Einsteigen auf. Sie zögerte, wohl wissend, dass sie verrückt sein musste, wenn sie seiner Bitte nachkam. Doch irgendwie tat sie es trotzdem. Energisch schlug er die Tür zu, ging um den Wagen herum und setzte sich neben sie auf den Fahrersitz. «Anschnallen», sagte er, beugte sich über sie und befestigte den Gurt. «Wir wollen doch nicht, dass Ihnen etwas zustößt, oder?»
«Wer sind Sie?», fragte sie.
«Ich heiße Michail», sagte er. «Und Sie?»
Sie zögerte einen Moment. «Olympia.»
«Ich bin entzückt, Sie kennenzulernen,
Weitere Kostenlose Bücher