Waechter des Labyrinths
wusste aber nicht wie. «Ich hätte nein sagen sollen, als er mich gefragt hat, ob er hierbleiben kann», sagte er zu Knox.
«Warum hast du es nicht getan?»
«Er wirkte so verzweifelt. Er hatte echt Paranoia, dass jemand hinter ihm her ist.»
«Paranoia?», wiederholte Knox.
«Ich musste ihm schwören, dass ich keinem sage, dass er hier ist. Deswegen habe ich euch auch nichts davon erzählt.»
«Hat er gesagt, wer hinter ihm her ist?»
«Nein. Aber soviel ich weiß, hat er etwas entdeckt. Offenbar auf Kreta. Ein paar Siegelsteine und möglicherweise noch andere Sachen. Ich habe angenommen, dass er sie bei sich hat, denn er wollte seine Tasche partout nicht loslassen. Er hat sie an sich gedrückt, als wäre sie sein einziges Kind.»
Auf dem Flur öffneten sich die Türen des Fahrstuhls. Rufe und das Poltern schwerer Stiefel waren zu hören. Zwei Polizisten in der dunkelblauen Uniform der Elliniki Astynomia stürmten in das Zimmer, Helme und Gummiknüppel in den Händen, als kämen sie direkt vom Einsatz bei einer Großdemonstration. Der erste war groß und kräftig, obwohl seine Züge so weich und glatt waren, als wäre er noch zu jung, um bei der Polizei zu arbeiten. Sein Partner war älter und dicker, er keuchte noch vom Laufen. Um die Lage einzuschätzen, schob er sich an seinem jüngeren Kollegen vorbei. «Weg da!», befahl er Claire, die völlig darauf konzentriert war, Petitier wiederzubeleben. Sie schaute nicht einmal hoch. «Weg da!», blaffte er lauter. Dass er ignoriert wurde, schien ihn wütend zu machen.
«Sie ist Ärztin», versuchte Augustin zu erklären. «Lassen Sie sie.»
«Weg da!», brüllte er ein drittes Mal.
Gereizt, weil seinem Partner kein Respekt entgegengebracht wurde, trat der jüngere Polizist heran. Von hinten packte er Claire und griff ihr dabei an die Brust.
Sofort schoss Augustin die Zornesröte ins Gesicht, und mit einer harten Geraden schickte er den jungen Polizisten zu Boden. Dann drehte er sich zu Claire um. «Alles in Ordnung?», fragte er.
Als der junge Polizist sich wieder aufrappelte, lag unbändiger Zorn in seinem Blick. Mit seinem Gummiknüppel schlug er so heftig auf Augustin ein, dass er ihm einen Zahn abbrach. Augustin schrie auf und ging mit den Händen vor seinem blutenden Mund in die Knie. Knox wollte einschreiten, doch der ältere Polizist packte ihn am Arm und hielt ihn fest. In seinem jüngeren Partner schien sich nun zügellose Wut Bahn zu brechen. Sein Gesicht war beinahe violett, als er seinen Schlagstock auf Augustins Kopf niederschmettern ließ. Obwohl er ihn zum Glück nur streifte, fügte er Augustin eine tiefe Risswunde zu, aus der schon das Blut schoss, während er zwischen Bett und Wand langsam auf die Seite fiel. Claire schrie auf und packte den Polizisten am Arm, doch er schüttelte sie mühelos ab. Dann drehte er sich wieder zu Augustin um und schlug erneut zu. So wie Augustin gefallen war, konnte der Polizist kaum seinen Kopf treffen, daher schob er das Bett zur Seite und zwängte sich daran vorbei.
Endlich riss Knox sich los. Er lief durch das Zimmer, packte den Polizisten am Handgelenk und verdrehte es. Der Polizist schrie auf, ließ seinen Knüppel fallen und sah Knox mit leicht benommener Miene an, als wüsste er nicht recht, wie ihm geschah. Dann fiel sein Blick auf Augustin, der bewusstlos zu seinen Füßen lag, er sah das ölig dunkle Blut, das sich in einer Lache auf dem Teppich sammelte, die roten Blutflecken auf seinen Händen. Entsetzen machte sich auf seinem Gesicht breit, und er begann zu weinen.
II
Ein Konferenzraum,
Tiflis, Georgien
Widersprüchliche Gefühle stritten in Edouard Zdanevichs Brust, als er vor dem Gemälde stand. Es war in Öl auf schwarzer Leinwand gemalt und bei einer Höhe von einem Meter gut siebzig Zentimeter breit: das Porträt einer üppigen Frau in einem Schaukelstuhl; durch die Falten ihres blauschwarzen Kleides gab sie einem Säugling die Brust, die man gerade noch erahnen konnte. Einfache Farben und Themen, dargestellt mit großer Kraft und Menschlichkeit. Ohne Zweifel ein Pirosmani, von dem es in Tiflis eine Menge ähnlich grandioser Werke gab. Dieses Bild hatte Edouard allerdings noch nie gesehen, ja, er hatte nicht einmal von seiner Existenz gewusst. Und während es ihn mit Stolz erfüllte, das Gemälde auch nur betrachten zu dürfen, machte es ihn wütend, dass die verfluchten Nergadses es sich an die Wand gehängt hatten, obwohl zweifellos keiner von ihnen wusste, welchen künstlerischen
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