Wächterin der Dunkelheit: Roman (German Edition)
E-Gitarre. An der Wand neben ihm hingen mehrere Flachbildfernseher, in denen eine Folge Johnny Bravo lief.
»Keine Ahnung, Sim«, antwortete Acheron zerstreut. »Frag Alexion.«
Noch bevor Alexion vor Acherons Thron treten konnte, erschien der Dämon vor ihm. Simi schwebte in der Luft und schlug mit ihren breiten schwarzroten Flügeln, die ebenso wie ihre Hörner und ihre Augen die Farbe je nach Stimmung und Geschmack änderten. Auch ihre Haarfarbe änderte sich ständig, war jedoch mit Acheron verknüpft, so dass sie stets dieselbe war wie seine.
»Wo ist meine Plastikkarte, Lexie?«
Er bedachte sie mit einem geduldigen, aber strengen Blick. Als Acheron Simi vor neuntausend Jahren hergebracht hatte, war sie ein Kleinkind gewesen. Eine der Pflichten, die Acheron Alexion aufgetragen hatte, bestand darin, darauf zu achten, dass sie nicht in Schwierigkeiten geriet.
Was so gut wie unmöglich war.
Ganz zu schweigen davon, dass er sie ebenso nach Strich und Faden verwöhnte wie sein Boss. Auch er schien nicht anders zu können. Simi war so bezaubernd, dass sie alle für sich einnahm. Er liebte sie beinahe wie eine Tochter. Sie und Acheron waren die einzigen beiden Geschöpfe in all den Welten, in denen er unterwegs war, die noch so etwas wie menschliche Regungen in ihm auslösten. Er liebte sie beide und hätte jederzeit sein Leben für sie gegeben, um sie zu beschützen.
Doch als ihr »zweiter« Vater war er es ihr und dem Rest der Welt schuldig, ihr so etwas wie Mäßigung beizubringen.
»Du brauchst nichts zu kaufen, Simi.«
»Doch, ich muss«, erwiderte sie wie aus der Pistole geschossen.
»Nein«, beharrte er. »Musst du nicht. Du hat schon mehr als genug Schnickschnack zum Spielen.«
Schmollend starrte sie ihn aus ihren rotglühenden Augen an und schlug peitschend mit ihrem Schwanz auf den Boden. »Gib mir sofort meine Plastikkarte, Lexie! Sofort!«
»Nein.«
Mit einem Jaulen wandte sie sich zu Acheron um und flog zu seinem Thron. Sekunden später erschien QVC auf den Monitoren.
»Simi«, tadelte Acheron. »Ich habe mir gerade etwas angesehen.«
»Pfff, das war nur eine alberne Zeichentrickserie. Simi will diesen Diamonique, akri , und zwar auf der Stelle!«
Acheron warf Alexion einen genervten Blick zu. »Los, gib ihr ihre Kreditkarten.«
Alexion sah ihn scharf an. »Sie ist dermaßen verwöhnt. Sie muss endlich lernen, sich ein bisschen zusammenzureißen.«
Acheron hob eine Braue. »Und wie lange versuchst du schon, ihr das beizubringen, Alexion?«
Damit erübrigte sich jeder Kommentar. Manche Dinge waren nun einmal aussichtslos. Aber die Unsterblichkeit war so oft derart langweilig, dass es eine willkommene Abwechslung darstellte, Simi Manieren beizubringen. »Ich habe sie schließlich dazu gebracht, still vor dem Fernseher zu sitzen … na ja, halbwegs zumindest.«
Acheron verdrehte die Augen. »Ja, nach etwa fünftausend Jahren. Sie ist ein Dämon, Lex. Sie ist nicht für Zurückhaltung geschaffen.«
Ehe Alexion widersprechen konnte, schwebte die Schachtel, in der er Simis Kreditkarten aufbewahrte, direkt vor seine Nase.
»Ha!«, stieß Simi sichtlich entzückt hervor, schnappte sie und wiegte sie liebevoll in den Armen. Ihr Glücksgefühl erstarb jedoch schlagartig, als sie feststellte, dass die Schachtel verschlossen war. Sie starrte Alexion finster an. »Aufmachen!«
Ehe er etwas erwidern konnte, sprang die Schachtel auf.
»Danke, akri !«, rief Simi, schnappte die Karten und flog davon, um ihr Handy zu holen.
Alexion stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ich fasse es nicht, dass du das getan hast.«
Auf den Bildschirmen erschien wieder der Cartoon. Acheron beugte sich vor und hielt dem winzigen Pterosaurier, der auf der Armlehne seines Throns saß, einladend sein Gitarrenplättchen hin. Das kleine orangefarbene drachenartige Geschöpf gab einen zwitschernden Laut von sich, ehe es das Plektrum auf einen Sitz verschlang. Alexion war nicht ganz sicher, woher das Drachenwesen stammte. Während der vergangenen neuntausend Jahre waren stets sechs von ihnen hier gewesen.
Alexion konnte noch nicht einmal sagen, ob es noch dieselben sechs waren. Er wusste nur, dass Acheron seine Haustiere liebte und sich hingebungsvoll um sie kümmerte, ebenso wie er selbst.
Acheron tätschelte den schuppigen Kopf des fröhlich singenden Tieres und wandte sich wieder seiner Gitarre zu.
»Ich weiß, warum du hier bist, Alexion«, sagte er, während ein frisches Plektrum in seiner Hand erschien und er
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