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Während die Welt schlief

Während die Welt schlief

Titel: Während die Welt schlief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Abulhawa
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die er verwünschte, ließ auch Yahya seine gefallenen Brüder im Stich. Insgeheim dachte er, Ein Hod würde verschont bleiben, wenn die Dorfbewohner nicht mit in die Sache hineingezogen wurden. Er dachte, ein ehrliches Friedensangebot an die Juden würde dafür sorgen, dass sie wie bisher weiterleben konnten.
    »Baba, werden die Juden uns auch bombardieren?« Yussufs Frage bohrte sich in das Herz seines Vaters.
    »Allah wird uns schützen, mein Sohn. Und ich werde dich, deine Mutter und deinen Bruder schützen«, versicherte Hasan seinem Sohn mit einem Blick auf Dalia. In seinen Augen spiegelte sich ein Ozean aus Liebe, und an diesem Tag, fünf Jahre nach ihrer Hochzeit, als Hasan ihren Fuß in seiner Hand hielt und ihrem Sohn ein Versprechen gab, wurde Dalia klar, wie sehr sie ihren Mann liebte.
    Nicht einmal zwei Wochen nach dem Zwischenfall in al-Tira wurden Palästinenser im nahe gelegenen Balad al-Sheikh ermordet. Der Pesthauch dieses Angriffs wehte als unmissverständliche Warnung durch Ein Hod. Als Nachrichten weiterer Gräueltaten Ein Hod erreichten, wurden die Dorfbewohner von ahnungsvoller Furcht gepackt. In Erwartung weiterer Angriffe
pflückten die Frauen unreife Trauben und Feigen, ließen sie trocknen, um später Rosinen und Sirup zu bekommen, und machten Gemüse ein, um ihre Familien während einer längeren Belagerung durch Heckenschützen ernähren zu können.
    Im Mai 1948 verließen die Briten Palästina, und die ins Land geströmten jüdischen Flüchtlinge riefen einen jüdischen Staat namens Israel aus. Doch Ein Hod lag im Grenzbereich dreier Dörfer, die ein unbesetztes Dreieck innerhalb des neuen Staates bildeten, sodass das Schicksal der Ortsbewohner mit dem Los von etwa zwanzigtausend weiteren Palästinensern verknüpft war, die sich ebenfalls an ihr Zuhause klammerten. Sie wehrten sich gegen Angriffe und forderten einen Waffenstillstand, wollten nichts weiter, als dort zu leben, wo sie schon immer gelebt hatten. Schon viele Herren hatten sie erdulden müssen – Römer, Byzantiner, Kreuzfahrer, Osmanen, Briten –, und für Nationalismus war hier kein Platz. Ihr Dasein drehte sich um Gott, das Land und die Familie, und sie kämpften dafür, dass es so blieb.
    Schließlich wurde ein Waffenstillstand erreicht, und Ein Hod seufzte auf vor Erleichterung. »Wir werden ihnen ein Festmahl bereiten. Es soll eine freundschaftliche Geste darstellen und ihnen zeigen, dass wir gewillt sind, Seite an Seite mit ihnen zu leben«, ordnete Yahya im Auftrag des Ältestenrats an. Mit hoffnungsvoller, düsterer Entschlossenheit ergriff er Haj Salims Hand – ein einvernehmliches Stoßgebet alter Freunde.
    In einheitlichen hellbraunen Uniformen, die der Julihitze zu spotten schienen, trafen Beamte des neuen Staates ein. Die an Schnüren aufgereihten Paprika trockneten raschelnd im heißen Wind, und am Griff aufgehängte Töpfe klirrten, als mit Gewehren bewaffnete israelische Soldaten siegestrunken durch das Dorf zogen. Die Sonne schlug ihre Krallen in alles,
was sie berührte, während der herrliche Duft nach Lamm und Kreuzkümmel sich seinen Weg durch die Furcht zu bahnen versuchte.
    Yussuf, inzwischen fast fünf Jahre alt, klebte an der Thoba seiner Mutter, riskierte hinter Dalias Hüfte einen Blick auf die schlemmenden, behelmten, hellhäutigen Fremden. Unter den Soldaten befand sich ein Mann namens Mosche, der sich selbst auf göttlicher Mission wähnte. Während des Essens beobachtete er Dalia, die mit Ismael an die Brust gedrückt und Yussuf zu ihren Füßen servierte. Immer wieder kehrte sein Blick zu ihr zurück, und seine Gedanken blendeten jedes Geräusch außer dem Klimpern ihres verbliebenen Fußkettchens aus.
    Nach dem Festmahl zogen die Soldaten in demselben frostigen Schweigen ab, mit dem sie gegessen hatten, und hinterließen eine Spur der Verachtung. Dieses Omen brachte die Dorfbewohner zum Erschaudern, und sie beteten den Rest des Tages, übergaben ihr Schicksal in die Hände Allahs, ehe sie sich zu einer schlaflosen Nacht niederlegten. Am nächsten Morgen – es war der 24. Juli – startete Israel einen schweren Artillerie- und Bombenangriff auf die Dörfer. Die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, dass Israel durch seinen grundlosen Angriff mit Flugzeugen und Bodentruppen den Waffenstillstand verletzt habe, und als Dalia mit einem zu Tode erschrockenen Yussuf und einem schreienden Ismael von Unterschlupf zu Unterschlupf rannte, regnete es Bomben.
    An diesem Tag wurde das Dorf in

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