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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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waren.
    .
    „Es schien, als wäre Olgas Tod ein fauler Zauber gewesen und sie wäre lediglich für ein halbes Jahr untergetaucht, um Namen und Persönlichkeit zu wechseln. Ich hatte Olga weder sterben sehen noch ihrer Beerdigung beigewohnt.
    Wieder trat die Mutter auf die Bühne in meinem Kopf. Wieder sprach sie ihre kurzen, aber bedeutenden Textstellen:
    Olga war meine einzige Tochter.
    Und: Wissen Sie, dass Olga ein Dämon war?
    ‚Zimmer 331‘, sagte Anna und verließ das Restaurant.
    Ich hielt es für unklug, ihr hinterher zu rennen, und wartete noch. Merkwürdigerweise blieb ich nicht lange allein. Bald traten zwei junge Frauen an meinen Tisch.
    ‚Verzeihen Sie die Störung‘, begann die eine.
    Die andere fügte hinzu: ‚Wir brauchen Ihre Hilfe.‘
    ‚Und Sie werden unsere brauchen‘, rundete die erste ab.
    Da der Sturm, den Anna in mir entfacht hatte, noch nicht ganz abgeebbt war, empfand ich die Worte als unverschämt sinnlich. Wir brauchen Ihre – Sie brauchen unsere.
    ‚Ich brauche nichts von Ihnen‘, warf ich unsicher ein, als wären sie Hausierer, die mir eine Versicherung aufquatschen wollten.
    Die beiden Mädchen hatten etwas Außergewöhnliches an sich. Ein Hauch von futuristischem Luxus umgab sie. Über ihre grazilen Körper hatten sie knöchellangen Silberstoff drapiert, ihre weißblonden Haare waren streng zu asymmetrischen Designerfrisuren geschnitten, die jeweils ein Auge freiließen, das andere hinter einem Vorhang aus blassem Gold verbargen. Das freie Auge schimmerte blaugrün, doch was hinter dem Haarschleier hervorblitzte, war von wärmerer Färbung. Lag es an den leichten, edlen Brillen, die sie trugen? Die in dünkelhaftem Lächeln gefrorenen Münder der beiden Grazien waren klein, kompliziert und kunstvoll wie rote chinesische Namensstempel, ihre Gesichter puppenhaft schön.
    Sie waren einander nicht ähnlich , wie Olga und Anna es waren, sie waren gleich . Eineiige Zwillinge, ohne Frage.
    ‚Wir sind Ida und Gita. Es ist gut, dass Sie uns getroffen haben‘, meinte diejenige, die bei Ida mit ihrem in allen Regenbogenfarben schillernden Fingernagel auf sich selbst gezeigt hatte. Diese winzigen, sorgsam gekürzten Nägel passten nicht zu ihrer Erscheinung. ‚Sie sind in großer Gefahr.‘
    Gita nickte. Sie hatte dieselben kurzen Nägel, von blasser Haut umspülte Inselchen. Die beiden zogen zwei Stühle zu sich her und setzten sich synchron an meinen Tisch.
    ‚Gefahr?‘ Sie mussten mich verwechseln. ‚Wenn es einen Multimillionär oder einen Geheimagenten gibt, dem ich ähnliche sehe, möchte ich ihn unbedingt kennenlernen.‘
    ‚Es ist diese Frau‘, kam es voll minusgradiger Abscheu aus der zauberhaften rotglänzenden Eisgrotte, die sie wohl für ihren Mund hielt.
    ‚Anna?‘
    ‚Sie werden lachen, wenn Sie hören, was sie in Wirklichkeit ist.‘
    ‚Bringen Sie mich zum Wiehern!‘, verlangte ich, weil mir bei den zwei Frostschönchen schon der Gedanke an Humor zum Schreien komisch vorkam.
    ‚Anna ist ein Dämon.‘
    Ich schmunzelte und stellte eine geradezu unverschämte Gelassenheit zur Schau. ‚Das überrascht mich nicht. Ihre Schwester ist ja auch einer.‘ Schlagfertig, nicht?
    ‚Olga.‘ Gita nickte. ‚Ein furchtbares Geschöpf.‘
    ‚Ich nehme an, Olga hat Ihnen etwas Schlimmes angetan, dass Sie so über sie urteilen.‘
    Auf den Tisch schwirrte ein Foto. Ich will nicht beschwören, dass Gita es aus ihrem Ausschnitt zog, aber so hatte es ausgesehen. Das Foto war voller Lichtreflexe, wie ein Stück Folie. Konnte ich in dem flirrenden, flatternden Lichtchaos etwas erkennen? Gerade, als sich die picassohaft verzerrten Konturen eines Frauengesichts herauszuschälen begannen, zog mir Ida das Bild weg und ließ es in ihrem Ausschnitt verschwinden.
    ‚Unsere Schwester Laila‘, erläuterte sie. ‚Brutal ermordet von Olga. Hätten Sie wenige Sekunden länger auf das Foto geblickt, hätte es Sie den Verstand kosten können.‘
    ‚Den vermisse ich aber schon seit geraumer Zeit …‘
    ‚Hören Sie zu, Jürgen!‘ Ida ergriff meine Hand. Dabei schien sie darauf zu achten, meine Fingernägel nicht zu berühren. ‚Das hier ist kein Spaß. Annas Macht übertrifft die ihrer Schwester noch, und dasselbe gilt für ihre Grausamkeit. Mit Ihrer Hilfe, Jürgen, können wir sie vernichten, ehe sie uns und Sie vernichtet.‘
    ‚Ihr wollt mir aber nicht weismachen, euch schicke der Vatikan, oder?‘ Ich musste glucksen wie ein Schulmädchen, hielt die Hand vor.
    Die beiden

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