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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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ignorierten meine Frage. Ihre Ernsthaftigkeit machte sie noch schöner, überirdisch schön. So schön, dass sie mir fremd blieben wie ferne Sonnen. ‚Anna wird Sie in ihrem Hotelzimmer verführen. Jetzt gleich!‘, prophezeite Gita. ‚Lassen Sie sie gewähren, kooperieren Sie. Aber achten Sie darauf, dass die Fenster geöffnet sind. Erfinden Sie einen Vorwand dafür. Wir schlagen zu, ehe Sie ernsthaft in Gefahr geraten.‘
    ‚Was soll das alles?‘, begehrte ich auf. ‚Rache? Für Laila?‘
    Die beiden fixierten mich, ihre Blicke stechend wie Laserstrahlen. ‚Gehen Sie, Jürgen! Lieben Sie Anna, nehmen Sie sich, wonach Ihr Körper verlangt. Aber tun Sie es bei offenem Fenster!‘
    Es war so verrückt.
    Wie betäubt wankte ich zum Fahrstuhl. Das Gespräch mit den frostigen Psychopathen-Schwestern hatte mich so nachhaltig verwirrt, dass ich mir über Annas Zimmernummer unsicher geworden war. War es die 311 gewesen? Die 313? Die 331? Oder hatte die Eins gar am Anfang gestanden?
    Unglaublich! Wie konnte jemand die Schlüssel zum Paradies verlieren?
    Zimmer 311 war offenbar unbewohnt, denn auf mein Klopfen reagierte niemand. Als ich vor der Tür zur 313 stand, war es mir, als hörte ich dahinter Stimmen. Ich klopfte, klingelte, klopfte wieder, und plötzlich sah ich, dass eine Socke zwischen Tür und Rahmen klemmte. Vorsichtig drückte ich die Tür auf, spähte in den Raum.
    Und erstarrte.“
    .
    Ein neuer Blick traf Isabel, und diesmal war Jürgens Stirn tief gerunzelt. Zweifellos fragte er sich, ob er seiner Beifahrerin die Beschreibung, die nun folgte, zumuten konnte. Isabel bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck. Sie wollte weder neugierig noch erschrocken wirken.
    .
    „Auf dem breiten Bett der 313 lag ausgestreckt ein Mann, nackt und haarig, der Kugelbauch emporragend wie ein Vulkankegel. Der Mann und sein Bauch waren nicht alleine. Mit ihnen tummelten sich Mädchen auf dem Bett, splitternackt, feingliedrig, blutjung, blass, mit platinfarbenen, nicht zu langen Haaren. Zehn oder mehr von ihnen balancierten auf Mensch und Laken, küssten ihn. Schmale Hände mit gekappten Fingernägeln radierten an seinem Körper auf und ab. Nur eine signifikante Stelle südlich des Vulkankegels blieb von Lippen und Fingern unberührt. Mir wandten die Gespielinnen ihre putzigen kleinen Kirschenhintern entgegen, und mit ihnen eine edle Selektion affektierter senkrechter Schmollmündchen.
    Ich kann mich nicht entsinnen, auf einen Zweig getreten zu sein oder genossen zu haben, aber vielleicht hatte meine Hypophyse gestöhnt, denn auf einmal ruckten die strengen Prinzessinnengesichter in meine Richtung, und ich sah die fantastische Wahrheit.
    Es waren Ida und Gita im Dutzend. Ein kühler, bebrillter, in allen Regenbogenfarben flimmernder Haufen delikater X-linge. Ausziehpuppen.
    Ich warf mich herum und schmetterte die Tür hinter mir zu, als hätte ich in den Schlund der Hölle geblickt. Vielleicht war es das Paradies und ich noch nicht reif dafür. Im Herumwirbeln hatten meine Blicke noch ein Laptop gestreift, das eingeschaltet auf dem Nachttisch stand.
    Obwohl ich im ersten Moment drauf und dran war, aus dem Hotel zu stürmen, mit oder ohne Gepäck, irre Satzfetzen murmelnd, bekam ich mich wieder unter Kontrolle. Man konnte alles erklären. Diese Mädchen gehörten zum Haus, ganz bestimmt, auf Ähnlichkeit gestylt, einer strengen Diät unterworfen, von einem begnadeten Maskenbildner geformt wie ein Stück silberne Knete. Besondere Dienste für besondere Gäste.
    Bedeutete das etwa, dass Anna eine Konkurrentin war, die sie ausschalten wollten?
    Anna, meine Anna, eine …
    Nein, Anna durfte keine von ihnen sein! Die Idas, Gitas und Lailas ließen einfach nicht zu, dass ein Gast wie Anna einen Gast wie mich … Normale, gesunde, authentische Liebe war in diesem Hotel offenbar verboten. Schlecht fürs Geschäft. Schlecht für die Mafia der Platinpüppchen.
    Zimmer 331 war rasch gefunden. Als ich klopfte, öffnete Anna. Sie trug einen Bademantel, dessen Gürtel sie zu schließen vergessen hatte.
    Ich trat nicht ein, ich fiel ihr entgegen. Und sie fing mich auf.“
    .
    Jürgen hatte immer schneller und schneller geredet und atmete jetzt lang und geräuschvoll aus. Versuchte sich zu beruhigen.
    .
    „‚Ich bin durch den Wind‘, gestand ich, als wir das Bett irgendwie unter unsere taumelnden Körper geschoben hatten, ein Sprungtuch für zwei Stürzende. Wo ihr Mantel aufklaffte, enthüllte er nahtloses Braun. Mein Kopf legte

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