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Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Wände leben - Samhain - Ferner Donner

Titel: Wände leben - Samhain - Ferner Donner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Kleinkind, das Gesicht schmerzverzerrt, konnte er nichts mehr ausrichten. Der Schlüssel steckte im Schloss. Isabel drehte ihn herum. Die Haustür ließ sich etwa 45 Grad weit öffnen, dann blieb sie an der Kante des Schränkchens hängen.
    Isabel starrte in eine Welt hinaus, die nicht die ihre war.
    Gleißendes blaues Licht zuckte in grellen Linien. Inmitten dieser Lasershow standen Frauen, silbern gekleidet, platinblond, durchgestylte, künstlich anmutende Disco-Tänzerinnen. Sechs oder sieben waren es. Sie glichen einander wie ein Ei dem anderen.
    Und sie drängten ins Haus. Isabel wurde einfach zur Seite gestoßen, mit einer kalten, seelenlosen Brutalität, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Als sie mit dem Rücken gegen die Wand der Diele prallte, war es, als lege sich in ihrem Gehirn ein Schalter um, und sie erkannte diese Frauen. Sie hatte sie schon einmal gesehen, allerdings nur vor ihrem geistigen Auge.
    Es war die Gitas, Idas und Lailas aus Jürgens Geschichte. Sie erkannte auch die kurzgeschnittenen Fingernägel.
    Während sie in Regenbogenfarben schillernd durch den Flur strömten wie eine Armee Klone aus einem Science Fiction-Film, wuchs das dunkle Geräusch aus der Tiefe hörbar an. Es steigerte sich zu einem dumpfen Brummen und klang jetzt weniger nach fernem Donner, mehr nach dem wütenden Brüllen eines riesigen Tieres, gefangen in einem Felsenkerker.
    „Sie ist wach“, vernahm Isabel eine feine, gläserne Stimme von einer der Frauen.
    Sie. Das Tier war weiblich.
    „Sie hat sich verraten.“ Dieselbe Stimme. Und doch die einer anderen? „Wir konnten sie spüren. Er ist der Grund. Seine Nähe erregt sie. Das ist die Liebe.“ Silberhelles Lachen.
    Eine von ihnen blieb vor dem alten Mann stehen und stieß ihn mit der Schuhspitze an. „Wo ist er?“
    „Ich weiß nicht, wovon ihr sprecht“, knurrte Winslow. Der Trotz in seiner Stimme verriet, dass er log.
    „Wir brauchen den alten Idioten nicht. Jürgen ist bei ihr. Und sie ist im Keller. Wo sie hingehört.“
    „Tötet mich!“, zischte Winslow. „Wie ihr meine Frau getötet habt. Los, worauf wartet ihr noch? Macht es kurz!“
    Die eisige Schönheit lachte. „Wir töten nur den, der sich uns in den Weg stellt.“
    Sie gingen an der Treppe vorbei, bogen nach rechts ab. Man hörte, wie sie eine Tür öffneten und eine Holztreppe abwärts stiegen. Sie gingen in den Keller.
    Die Haustür war offen, und Isabel hätte einfach hinausgehen können. Nein, sie hätte es sogar müssen . Was immer hier vorging, es war lebensgefährlich, länger hierzubleiben. Die Frauen hatten es selbst gesagt. Sie töteten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte.
    Trotzdem folgte ihnen Isabel. Sie tat es in großem Abstand, vorsichtig, denn sie spürte, dass man sie nicht behelligen würde, solange sie nichts tat, was den Frauen missfiel. Natürlich wusste Isabel, dass diese Wesen keine Menschen waren. Sie wusste es so sicher wie sie wusste, dass Jürgen mit seiner Geschichte die Wahrheit gesprochen hatte.
    Jetzt musste sie verstehen, wie alles zusammenhing.

5. Der Keller
    Obwohl der Keller durch die Anwesenheit der funkelnden Frauen erleuchtet wurde, blieb der hintere Teil davon im Dunkeln. Dort bewegte sich etwas. Es war wie brauner Nebel, wie dichter, zusammengeballter Rauch, der sich zu einer festen Gestalt zu formen versuchte, aber offenbar vergessen hatte, wie man das machte. Wenn man die Augen zusammenkniff, glaubte man die Umrisse einer Frau mit dicken Brüsten und dickem Bauch zu erkennen. Sie hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit der Venus von Willendorf, jener bekannten Furchtbarkeitsgöttin aus der Altsteinzeit. Doch es war unmöglich, auf sie zu fokussieren. Sie zerwaberte vor den Augen des Betrachters.
    Das Donnern war kein Donnern und auch kein Brummen. Es war ein Rumpeln, aber eher noch ein Geräusch, für das es kein Wort gab, ein Gewirr aus Myriaden von Tönen, aus Stimmen und Instrumentenklängen, vorwärts und rückwärts abgespielt, neblig und dumpf, leiernd und schleifend, pulsierend und klopfend. Manchmal klang es, als stimme jemand die tiefsten fünf Saiten auf dem Klavier gleichzeitig, dann wieder schien ein riesiges Radio eine Sendung von einem riesigen, sonnenfernen Planeten zu empfangen, und manchmal hörte es sich einfach an, als würde das ganze Leben auf der Erde mit den Stimmen der Tiere und den Geräuschen der Maschinen gleichzeitig und viel zu langsam abgespielt werden. Mit 33 statt mit 45 Umdrehungen. Immer wieder drang durch diesen

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