Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)
bevor es losgeht, einmal durchatmen und in Ruhe gucken: «Haben wir auch wirklich alles? Ist an alles gedacht? Gibt es Brandschutz? Sind auf allen Gebäuden Dächer?»
Denn das wäre noch viel peinlicher gewesen. Den Flughafen eröffnen und nach zwei, drei Tagen Betrieb guckt einer hoch und sieht: «Ach, kein Dach!» Dann wäre es richtig unangenehm geworden. Man hätte ja nicht mehr sagen können, dass man nicht fertig geworden sei, eben weil man bereits eröffnet hätte. Also hätte man sich Begründungen aus den Fingern saugen müssen, Sätze wie: «Ja, das ist eben so ein offenes Konzept. Ohne Grenzen, ohne Dach, denn es ist ja ein Flughafen, da wollten wir eine direkte Verbindung zum Himmel herstellen. Ohne störendes Dach, ein ganzheitlicher Flughafen, bei dem man sich schon während des Eincheckens in der Schlange freut: ‹Guck mal, da oben, im Himmel, da bin ich gleich! Ist auch frei gerade, wie schön!› Natürlich ist hierauf, auf diese ‹Ohne-Dach-Vision›, auch unser gesamtes Brandschutzkonzept abgestimmt. Es muss halt regnen, aber dann greift alles ineinander.»
Solche Erklärungen wären mir noch viel unangenehmer gewesen. Da finde ich den jetzigen Umgang ehrlicher und würdevoller. Gut, den Hauptbahnhof hat man seinerzeit auch eröffnet, obwohl das Dach nur halb so lang wie der Bahnsteig war. Aber in der Innenstadt ist es auch nicht so windig wie in Schönefeld. Da macht so ein bisschen Regen den Reisenden praktisch nichts aus. Wie überhaupt der Überdachungswahn bei Bahnhöfen und Bahnhofsvorplätzen noch mal ein ganz anderes Thema ist. Der allgegenwärtige Überdachungswunsch geht ja mittlerweile so weit, dass schon Bahnhöfe für horrende Summen unterirdisch gebaut werden, um wirklich die totale Überdachung sicherzustellen. Mit staatlicher Beteiligung. Nicht wenige sprechen schon vom Überdachungsstaat.
Doch das ist ausnahmsweise mal nicht ein Problem von Schönefeld. Rund zwanzigtausend Mängel hat man bisher festgestellt. Teilweise ziemlich spektakuläre wie die zu kurzen Rolltreppen. Davon gibt es wohl mehrere zwischen den einzelnen Stockwerken. Viele Berliner fragen sich, wie so etwas passieren kann. Ich nicht. Ich kenne solche Phänomene durchaus von manchem Ding, das ich in meinem Leben gebaut habe. Auf einmal fehlt irgendwo ein Stück. Das geht ganz schnell. Auch und gerade bei Rolltreppen. Wer hat das denn noch nicht erlebt? Ein Zollstock misst halt nun mal nur zwei Meter. Da muss man natürlich anhalten, nach zwei Metern. Dann hat man gerade keinen Bleistift, also hält man den Daumen hin, und während man den Zollstock weiterschiebt, muss nur mal einer was rufen, man dreht sich leicht, der Daumen rutscht in der Bewegung ein bisschen nach oben und: zack!, fehlt später so ein Stück. Also ich würde sagen, wem das noch nicht passiert ist, der werfe die erste Rolltreppe.
Ich fände es wirklich spannend, diese Rolltreppen mal zu sehen oder auch die absackenden Böden. Wäre auch bereit, dafür zu zahlen. Ich glaube, viele andere Menschen ebenfalls. Ich kenne einige. Mit entsprechenden Führungen könnte man da sicherlich ein Gutteil der Mehrkosten wieder auffangen. Zumal das Licht ja ohnehin Tag und Nacht brennt.
Das war auch ein Mangel, den ich faszinierend fand. Als die Bauleitung mitteilen musste, sie wisse leider nicht, wie man das Licht ausmachen könne. Solche Probleme sind doch auch Chancen. Daraus könnte man eine schöne «Challenge» entwickeln, wo Menschen aus aller Welt nach Berlin kommen, und jeder versucht mal, hier am Flughafen das Licht auszumachen. Viele kämen bestimmt mit eigenen Schalterkonstruktionen. So was wäre ein Ereignis. Man könnte einen richtigen Bürgerflughafen propagieren, bei dem jeder mitbauen darf.
Aber wahrscheinlich werden sie einfach heimlich weiterbauen. Das wird auch gehen. Irgendwann werden sie es schon schaffen. Davon bin ich überzeugt. Irgendwann wird irgendwo irgendwie irgendwas eröffnet werden. Es ist noch immer irgendwo irgendwie irgendwann irgendwas eröffnet worden. Man wird schon gar nicht mehr dran denken. Man wird beim Frühstück sitzen, die Zeitung blättern und plötzlich ausrufen:
– Ach, guck mal, jetzt haben sie’s eröffnet!
– Was?
– Na, den Flughafen, jetzt ist er eröffnet.
– Welcher Flughafen?
– Na, der Flughafen, weißte doch, hat doch Opa immer von erzählt …
– Was ist denn ein Flughafen?
– Na, früher, wenn man verreisen wollte, da gab es so Flugzeuge, und für die brauchte man einen
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