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Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition)

Titel: Wäre ich du, würde ich mich lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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die Ohren zu. Nützt aber nicht viel. Die neun sturzbetrunkenen norddeutschen Senioren, die ich allesamt auf siebzig Jahre plus x schätze, singen aus voller Brust. Männer wie Frauen. Und sie können erstaunlich viele Strophen: «Mägde und auch Küüüühe / allehe kommen dran, / gibt sich ord’ntlich Müüüühe, / der bravehe Bauersmann.»
    Gelernt ist gelernt, denk ich mal. Ein mittelalter Mann, wahrscheinlich der Reiseleiter, versucht verzweifelt, die Gruppe in Richtung Busparkplatz zu schieben. Aber die Senioren erweisen sich als genauso stand- wie trinkfest. Beflügelt von dem großen Publikum und gelegentlichem Szenenapplaus, sind sie offenbar fest entschlossen, den Rest ihres Lebens mit dem Singen schlüpfriger Weihnachtslieder auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt zu verbringen.
    Dann stimmt der Dickste von ihnen ein Solo an: «Mein Tannenbaum, mein Tannenbaum, / lalalalalalala, / du stehst nicht nuuuur zur Sommerzeit …» und so weiter und so fort. Also zumindest ungefähr. Ganz genau ist der Text nicht zu verstehen, da sich seine Stimme vor freudiger Erregung immer wieder überschlägt. Zudem unterbrechen ihn die Seniorenfrauen ständig, brüllen lachend Sätze wie: «Glauben Sie dem Angeber kein Wort, von wegen Tannenbaum, richtig müsste der eigentlich singen: ‹Mein Stachelbeerstrauch, mein Stachelbeerstrauch, / man sieht ihn kaum noch unterm Bauch.›» Dann biegen sie sich alle vor Lachen.
    Neben den Kindern sind vor allem ausländische Touristengruppen ganz aus dem Häuschen wegen der singenden Senioren. Eine größere Gruppe Koreaner filmt und fotografiert sich quasi die Linsen wund. Wahrscheinlich sind sie auf einer Ganz-Europa-in-vierzehn-Tagen-Reise. Sorgsam zusammengestellt. In jedem Land nur der absolute Höhepunkt, der exemplarisch für die Kultur eines ganzen Volkes steht. In Spanien die weltberühmte Architektur der Sagrada Família. In Italien die Kunstschätze des Vatikans, die Sixtinische Kapelle. In Frankreich das romantische Licht des Montmartre mit Sacré Cœur. In England die royale Anmut des Buckingham Palace. Und stellvertretend für Deutschland: sturzbetrunkene Senioren, die auf dem Christkindlesmarkt versaute Weihnachtslieder grölen. Jedes Volk ist anders. Wahrscheinlich werden dann all die lieben Verwandten und Bekannten, denen sie in Korea ihr Reisevideo zeigen, bei ihrer eigenen geplanten Europareise die gesamten vierzehn Tage in Deutschland verbringen wollen.
    Zwei, drei Lieder später erscheint jedoch plötzlich die Polizei und macht dem Konzert ein Ende. Mitten in «Schwings Röckchen, schwingelingeling, / schwings Röckchen schwing. / Ist so kalt der Winter, / reib mir mal den Hintern» ist unweigerlich Schluss. Es gibt noch einen riesigen Applaus von den Koreanern, Russen, Amerikanern und den anderen Christkindlesmarktbesuchern, dann aber heißt es wirklich Feierabend für den Weihnachtschor.
    Als ich kurz darauf sehe, wie die Polizisten offensichtlich die Personalien der Sänger aufnehmen wollen, beschließe ich, mich für die norddeutschen Senioren einzusetzen. Aber nachdem ich mich zu ihnen und den mit gezücktem Block und Stift dastehenden Beamten bewegt habe, höre ich nur einen der fränkischen Ordnungshüter sagen: «Entschuldigung, aber für unsere Weihnachtsfeier vom Revier, könnten Sie mir noch mal den Text von diesem ‹Alle Jahre wieder› mit dem Bauersmann diktieren?»
    Ich hab’s dann auch gleich mitgeschrieben.

Frischer Fisch
    Donnerstagmittag. Sitze im Restaurant und überlege, was ich bestellen soll. Kann mich nicht gut konzentrieren, denn am Nebentisch oder, genauer gesagt, an den Nebentischen versucht sich eine Gruppe von so mitteljungen Leuten hinzusetzen. Noch sind es fünf, es werden aber wohl fünfzehn oder sechzehn Personen. Deshalb rücken sie hektisch die Tische hin und her. Offensichtlich in der Hoffnung, irgendwann, irgendwie eine Formation zu finden, bei der dann alle quasi an einem Tisch sitzen können.
    Die Wirtin diskutiert mit einem Handwerker. Es geht um die Kühltruhe oder mehrere Kühltruhen. Der Handwerker sagt, er brauche erst die Ersatzteile, vor morgen könne er da gar nichts machen. Die Wirtin schimpft. Er bleibt unbeeindruckt: «Sie können gerne meckern. Kann ich gut verstehn. Würde ich auch. Aber machen kann ich trotzdem nichts. Ohne die Teile. Gar nichts. Ich kann hier gerne die ganze Nacht stehen, und Sie meckern. Mach ich ohne weiteres, wenn Ihnen das hilft und ich es bezahlt kriege. Nützt aber nischt. Ohne die

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