Wärst du doch hier
war die seines Vaters gewesen, bei der Tom wegen seiner strengen militärischen Pflichten (zumindest wurde das allgemein angenommen) fehlte. Diesmal würde Tom – eigentlich aus demselben Grund – mit Sicherheit dabei sein. Was noch von ihm da war, würde dabei sein. Aber wieder einmal wäre nur Jack zu sehen, der einzige Lebende der Familie Luxton, und die Augen aller Dorfbewohner wären auf ihn gerichtet, heute wie damals, und würden ihn durchbohren, in das hineinbohren, was in seinem Kopf war.
Damals war »Kopf« allerdings kein so gutes Wort gewesen. Und es war auch nicht die letzte Beerdigung, zuder Jack in Marleston gegangen war. Denn nicht viel später – wie konnte er das vergessen? – hatte er am Grab von Jimmy Merrick gestanden und Ellie seinen Arm (auch seine Schulter, falls nötig, um sich daran auszuweinen) geboten.
Und wo war Ellie Merrick, Beistand und Stütze, heute?
Am Grab seines Vaters hatte Jack ebenfalls den Gedanken (den Sally Warburton gewissermaßen für ihn vorgedacht hatte) gehabt, dass wenigstens seine Mutter nicht zu erfahren brauchte, wie ihr Mann gestorben war. Andererseits kam ihm auch der Gedanke, dass sie, da die beiden in gewisser Weise wieder vereint waren, die ganze Geschichte von dem Mann selbst – untergründig, sozusagen – hören würde.
Und jetzt traf es – mit derselben Einschränkung – ebenfalls zu, dass weder Michael noch Vera zu erfahren brauchten, wie ihr jüngerer Sohn gestorben war. Vera hatte auch nie erfahren müssen, dass Tom der Farm den Rücken gekehrt hatte. Noch dass Jack – sogar Jack – sie im Stich gelassen hatte.
Als Jack mit Malcolm Brookes (dem Pfarrer, der auch heute die Trauerfeier leiten würde) die Vorbereitungen für Michaels Beerdigung besprach, musste er auch die heikle Frage – oder vielmehr den Gedanken, der sich bei Jack festgesetzt hatte – mit ihm besprechen, ob angesichts der Art und Weise, wie sein Vater zu Tode gekommen war, eine solche Beerdigung überhaupt zulässig war. Die Beisetzung in geweihter Erde. Brookes hatte seine Ansicht in einer für einen Geistlichen erstaunlich anschaulichen Sprache ausgedrückt (»Wir sind ja nicht imMittelalter«, hatte Brookes gesagt), hatte dann aber mit einem duldsamen Lächeln hinzugefügt: »Glauben Sie, ich würde diese beiden aus irgendeinem Grund voneinander trennen?«
Brookes glaubte also auch daran? An die Begegnung – die Wiederbegegnung – der Seelen. Aber es war ja nur natürlich, dass Brookes das tat.
Der Tod, dachte Jack, als er in den strahlenden, alles erhellenden Sonnenschein von Okehampton hinaussah, war in vielerlei Hinsicht ein fantastischer Schutzraum. Das Leben und alles dazugehörige Wissen war es, was man nicht aushalten konnte.
Das denkt er auch jetzt, während er aus dem regenüberströmten Fenster blickt.
Es war kurz nach halb acht. Der Geruch von Bacon schwebte schwach zu ihm herein, als er auf die Straße hinausblickte. Unten wurde das Frühstück zubereitet. Und selbst in seinem gegenwärtigen Zustand verfehlte der Geruch die sanfte Wirkung auf seinen Magen nicht. Manchmal – an einem taufrischen Augustmorgen, unten bei den Wohnwagen, wenn es in den Bratpfannen brutzelte – konnte man Jack sagen hören, dass der Geruch von Bacon in der Pfanne der beste Geruch der Welt sei. Keiner, der ihn das sagen hörte, hatte ihm je widersprochen. Statt vom »besten« Geruch zu sprechen, hätte er auch (wenn er seine Erinnerung befragt hätte) der »tröstlichste« oder der »herzerwärmendste« Geruch sagen können. Als Sally Warburton an jenem grauenhaften Morgen mit ihren Notfallkartons kam, in denen sich auch eine gute Portion erstklassiger Bacon befand, sah sie erstaunt, aber auch erleichtertmit an, wie Jack mehrere Streifen davon gebraten verschlang. Allerdings war das fast um die Mittagszeit, und dem Anschein nach war der arme Mann seit lange vor dem Morgengrauen auf den Beinen.
Wenn sie doch alle Schweinefarmer wären, hatte Sally damals gedacht, wenn es doch nur eine Gegend für Schweine gewesen wäre, dann wäre nichts von alledem geschehen.
Der Geruch, der Jack jetzt in die Nase stieg, erwärmte ihn auch deshalb, weil er Anlass zu der Vermutung gab, dass er doch nicht der einzige Gast im Hotel war. Er wäre vielleicht nicht allein und unter unablässiger Beobachtung der Inhaberin oder ihrer Vertreter, wenn er zum Frühstück nach unten ging. Andererseits, nicht allein zu sein und folglich der
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