Wärst du doch hier
war, war die Wirklichkeit, die nicht zu leugnende Wahrheit. Es war eine öffentliche Angelegenheit. Für den Mann jedoch, der hier, hinter seiner Zeitung verborgen, sein Frühstück aß, und möglicherweise auch für Tausende andere, die jetzt das Gleiche taten, war es nichts, was auch nur ihre Aufmerksamkeit erregte.
Keine Stunde später fuhr Jack von Okehampton nach Norden, Richtung Marleston, der lange Schatten des Cherokee ihm voraus. Als Letztes, bevor er das Hotelzimmer verließ, hatte er die Medaille in die Brusttasche seines Anzugs gesteckt (sein frisches weißes Hemd hatte keine). Beim Bezahlen war er sich ziemlich sicher, dass die Frau wusste, wer er war, es sich aber nicht anmerken ließ. Oder dass es ihr wenigstens später, wenn sie die Zeitung nahm (hatte sie noch nicht reingeguckt?), ins Auge springen würde: Luxton, natürlich! Kam mir doch gleich bekannt vor.
Der Verkehr war spärlich, die Straße glänzte. Er hatte seine Abfahrt so lange hinausgezögert, dass er den letzten Abschnitt in bequemem Tempo zurücklegen konnte, ohne am Schluss anhalten oder im Kreis fahren zu müssen, um nicht zu früh zu kommen. Er tankte am Stadtrand.
Auf dieser kurzen Strecke kam Tom nicht wieder an seine Seite. Jack verstand das als Zeichen von Toms Zuversicht, dass Jack die Reise bis zum Ende machen und die Verabredung einhalten würde. Dennoch hatte Jack während dieser letzten Meilen den zwanghaften Wunsch, immer wieder laut zu sagen: »Ich bin auf dem Weg, Tom. Ich bin schon fast da.« Das hätte er nicht zu sagen brauchen, wenn er das Gefühl gehabt hätte, dass Tom, auf welche Weise auch immer, mit im Wagen saß.
Viertel nach zehn, vermutete er, Viertel nach, rechtzeitig für halb elf. Natürlich durfte er nicht zu spät kommen, aber so wie am vorherigen Tag auch wollte er nicht so früh da sein, dass die Menschen ihn mit Beschlag belegen würden. Er wusste nicht, wie viele kommen würden. Ein paar Versprengte oder – da ja überregional berichtet worden war – eine Menschenflut? Er sollte einfach so früh da sein, dass dem Anstand Genüge getan war und er die Gelegenheit hatte, sich zu zeigen und zu orientieren. Vielleicht konnte er dann darum bitten, so schwebte es ihm vage vor, ein paar Minuten allein gelassen zu werden.
Ihm war bewusst, dass man ihm aufgrund der Tatsache, dass er der war, der er fraglos war, ein Verhalten nachsehen würde, das man andernfalls als grob, fehl am Platz oder gar unhöflich betrachten würde. Er hatte fest vor, das voll auszunutzen. Gestern hatte er es bereits getan. Im Grunde plante er – da machte er sich nichts vor –, mit so wenig wie möglich durchzukommen, in Bezug auf Zeit, Beteiligung, Gespräch. Schmerz. Zum Nötigsten wäre er bereit, das verweigerte er nicht, aber auf mehr würde er sich nicht einlassen.
Die Vorbereitungen, die er getroffen hatte – alle telefonisch–, hatten sich auf das Minimum beschränkt. Er hatte mit Babbages gesprochen. Er hatte mit Brookes gesprochen. Und natürlich hatte er mit Major Richards gesprochen. Keine Fahne, bitte, die konnte das Bataillon behalten. Und kein militärisches Begräbnis, nein danke. Er war von seiner eigenen Festigkeit überrascht. Er hatte absichtlich davon abgesehen, jemanden zu benachrichtigen oder gar einzuladen. Er hatte das als eine Angelegenheit zwischen Brookes und seiner Gemeinde betrachtet. Er wusste, man würde von ihm erwarten, ein Beisammensein nach der Beisetzung vorzubereiten und als Gastgeber aufzutreten. Aber wo sollte das stattfinden? Dafür kam nur ein Ort in Frage: Das Haus auf der Jebb Farm. Unmöglich. Das Crown? Nein. Außerdem wusste er, dass er das nicht durchstehen würde. Er, die lebende Hauptperson. Er, der eine Rede hielt (nachdem er gestern keine gehalten hatte). Und wenn es noch so unhöflich war, er konnte es nicht tun. Er würde da sein, das war die Hauptsache.
Ein schlichtes Wort war ihm, theoretisch, zur Seite gesprungen: »Privat«. Heute, das war privat, das gestern hingegen nicht. Man konnte behaupten, dass die ganze Sache unermesslich privat war, und Major Richards hatte ihm – für die Veröffentlichung – einen Satz formuliert: Corporal Luxtons Familie (die allerdings nur aus einem Menschen bestand) hoffe, dass in dieser Zeit der großen Trauer ihr privates Bedürfnis nach Zurückgezogenheit und Stille respektiert würde.
Jack konnte aber auch sehen, dass »privat« ein dürftiges, sogar verräterisches Wort war. Ein Kriegerdenkmal, zum
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