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Wärst du doch hier

Wärst du doch hier

Titel: Wärst du doch hier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Swift
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Grab zu gehen und da einen Moment zu verweilen, alle mit den Poppys am Revers, als wäre Vera auch an der Somme niedergemäht worden. Dieses Ritual wurde auch an jenem Tag   – nur von Jack und seinem Dad   – pflichtgetreu eingehalten.
    Über den übrigen Anwesenden lag aber noch ein anderes Unbehagen oder eine zusätzliche Düsterkeit (obwohl es ein blitzender, klarer Morgen war), die teils in Toms Fehlen begründet lag, aber mindestens ebenso sehr in der Verwüstung, die in den Jahren zuvor die Höfe dieser Region überzogen hatte   – in dem Krieg nämlich, der, wenn er seinen Höhepunkt auch überschritten hatte, immer noch mit der Krankheit unter den Herden wütete. In mancherlei Hinsicht waren die Nachwirkungen so schlimm wie der Ausbruch der Krankheit selbst. Während Regierungsbeamte von »Überwindung« und einem »Rückgang der Vorfälle« schwafelten, stieg die Zahl der Opfer unter den Menschen.
    Vielleicht hatten alle, wie jedes Jahr, nach Kräften versucht, sich einen Moment lang die unbeschreiblichen Schlachtfelder vorzustellen, auf denen die Brüder Luxton und andere gestorben waren, aber leichter stellten sich Bilder von Tötungen und Schlachtszenen aus jüngerer Zeit ein und das Gefühl von Bedrückung und Not, die sie allerorten verursachten.
    So gesehen konnte man Tom Luxton keinen Vorwurf machen, dass er seine Zukunft beim Militär suchte.
    Jack erinnert sich an jenen Remembrance Day auch deshalb so gut, weil es der letzte war, den er zusammen mit seinem Vater begangen hatte, und weil sein Vater ihm anschließend nicht, wie es eigentlich ihre Tradition war, ein Bier im Crown spendiert hatte. Es war der einzige Tag im Jahr, an dem Michael seinem Sohn ein Bier spendierte, worauf er auf theatralische Weise bestand, als lasteten die so weit zurückliegenden Tode dieser beiden jungen Leute auf seinem Gewissen. Oder vielleicht war der Grund eher der, dass er sich an diesem Tag, mit seiner weihevollen Bedeutung für die Familie Luxton, vor den Dorfbewohnern ein wenig produzieren wollte.
    Das gesamte Ritual wurde genauestens beachtet. An jedem Remembrance Day zog Michael seinen selten getragenen Anzug an, der, wie Jack wusste, davor Michaels Vater gehört hatte. Und Jack trug den Anzug, zu dessen Kauf seine Mutter ihn einst, als er alt genug für dieses Privileg war, zu Burtons in Barnstaple geschleppt hatte. An diesem letzten Remembrance Day saß der Anzug nicht mehr richtig, war aber noch in gutem Zustand. Es hatte wenig andere Gelegenheiten gegeben, ihn zu tragen.
    Michael war ein unsentimentaler Milchfarmer, dem es unbehaglich war, einen Helden in der Familie zu haben, der aber widerstrebend Macht daraus bezog. Beide Gefühle brachte er deutlich zum Ausdruck. Jedes Mal zog er den Anzug mit einem gewissen Zögern an, als würde das ganze Theater ihm nur die Zeit stehlen, die er, obwohl es Sonntag war, auf der Farm nutzbringender verbringenkönnte. Dann steckte er sich die Poppy an, nahm die Medaille, die Vera bereits poliert hatte, und ließ sie, fast verstohlen, in seine Brusttasche gleiten. Seine Mutter, erinnerte sich Jack, ging die Sache mit mehr Schwung an, nicht nur polierte sie die Medaille, sie besorgte auch die Ansteck-Poppys im Voraus und unterzog Vater und Sohn in ihren Anzügen einer Musterung, als wären auch sie Soldaten. Dabei war sie nicht einmal eine echte Luxton.
    All das hatte sich nach Veras Tod verändert, und das jährliche Ereignis hatte eine neue Bedeutung und eine neue Komponente gewonnen. Aber es hatte immer   – und nach Veras Tod bezog das auch den heranwachsenden Tom ein   – die Geste eines Biers gegeben.
    Sie waren keineswegs Stammgäste im Crown. Wäre das der Fall gewesen, hätte es sicherlich die Wirkung ihres Auftritts im November mit Poppy und Anzug geschmälert. Trinken, so sagte Michael gewöhnlich, war Geld hinter die Binde gegossen. Und wenigstens war er nie, wie es bei mehr als einem Farmer der Fall war, in die Versuchung gekommen, diese Erkenntnis mit Alkohol zu betäuben. Auf der Jebb Farm tranken sie Tee, literweise. Sie sprachen davon, dass sie Tee »brauten«. Sonst, mit Ausnahme von Weihnachten, waren sie trocken.
     
    Der alte Merrick hingegen hatte, wie Jack lange mutmaßte, bevor Ellie es endgültig bestätige, immer einen Flachmann dabei. Irgendwo an seinem Körper verstaut, unter den seltsamen Lagen von Bekleidung, die er trug. Hier ein Schlückchen, da ein Schlückchen   – und das, seit Ellies Mutter Alice eines Tages, als Ellie noch

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