Waffenschmuggel
Lichtung hinunterführte, und Girija folgte ihm. Etwa zwölf Meter weiter unten war eine Grube ausgehoben worden, die sie als Latrine benutzt hatten. Er ging langsam zur Lichtung zurück. Während der langen Suche nach dem Lagerplatz hatten sich seine Zweifel verflüchtigt. Jetzt waren sie wieder da, und er bekam die Bitterkeit der Niederlage zu spüren. Leutnant Haynes hatte recht gehabt. Er, Girija, hatte sich geirrt. Sonntag auf Sonntag hatte er die Freuden des gemeinsamen Frühstücks bei seiner zukünftigen Schwiegermutter und die sanften Blicke Sumitras gegen sinnlose Streifzüge durch den Dschungel eingetauscht, um einer Illusion nachzujagen. Es gab kein geheimes Waffenlager; es hatte nie eines gegeben.
Er war schon im Begriff umzukehren, als sein Fuß gegen etwas stieß; es klirrte. Er blickte nach unten. Auf dem Boden lag eine Patronenhülse aus Messing. Als er sich bückte, um sie aufzuheben, sah er noch eine. Einen Augenblick später hatte er drei weitere gefunden. Verdutzt starrte er auf die Messinghülsen. Sie waren vom Kaliber 0,303 Zoll. Er suchte den Boden noch einmal ab und fand, wonach er Ausschau gehalten hatte: den Ladestreifen, der die fünf Patronen enthalten hatte.
Es gab keinerlei Zweifel. Hier war ein Gewehr vom Kaliber 0,303 Zoll abgefeuert worden. Am Ort der Kampfhandlung hatte man aber kein einziges Gewehr gefunden. Und keine der Waffen war vom Kaliber 0,303 Zoll gewesen. Wo also war das Gewehr? Zunächst suchte er sorgfältig den Lagerplatz ab. In einer Teakholzkiste fand er einen kleinen Radioapparat, mit dem man nur einen bestimmten Sender empfangen konnte; aber kein Gewehr, Er begann den Hügelabhang oberhalb des Lagers abzusuchen und folgte jeder Spur, die so aussah, als ob sie möglicherweise einmal als Pfad benutzt worden sein könnte. Nach etwa einer Stunde stand er vor einem Bambusdickicht, aus dem eine Anzahl dicker Triebe herausgeschnitten waren. Und dann, etwa zwölf Meter entfernt, sah er es.
Zwischen dem steilen Berghang und einem Baumstamm war ein dreieckiges Bambusdach ausgespannt. Zusammengeflochtene Rohrmatten schlossen die Hütte seitlich ab.
Girija arbeitete sich heran, rutschte und schlitterte auf dem schwammigen Laubteppich vorwärts und hieb wie wild mit dem Parang auf das Unterholz ein, das ihm den Weg versperrte. Als er die Hütte erreicht hatte, stand er einen Augenblick atemlos da und versuchte, sich auf die niederschmetternde Enttäuschung gefaßt zu machen, die ihm eine leere Hütte bereiten würde. Dann zog er eine der Matten zur Seite.
Es raschelte heftig, und Girija fuhr zusammen, als irgendein kleines braunes Tier an ihm vorbeistrich und das Freie suchte. Er zog die Matte weiter zurück und blickte ins Innere.
Um einen annähernd rechteckigen Platz zu schaffen, hatte man unterhalb des Bambusdaches den Erdwall begradigt. Der Raum war etwa zwei Meter hoch und drei Meter lang und vom Boden bis unters Dach mit Holz- und Blechkisten vollgestellt.
Er setzte sich auf die Erde, um zu verschnaufen, und starrte die Kisten an. Einige davon, das sah er, waren lang und schmal und hatten Seilgriffe. Eine solche stand ganz in der Nähe der Rohrmatte und sah aus, als sei sie geöffnet worden. Er kletterte hinüber und stemmte den Deckel mit dem Parang auf. In der Kiste fand er, sorgfältig auf Gestelle gepackt, sechs Gewehre vom Kaliber 0,303 Zoll. Fünf davon waren dick eingefettet und mit schwerem Ölpapier umwickelt, das den Namen eines belgischen Herstellers trug. Ein Gewehr war ausgepackt worden. Girija nahm es heraus und öffnete das Schloß. Das Gewehr war abgefeuert – wahrscheinlich auf dem Lagerplatz – und ungereinigt zurückgelegt worden. Der Lauf war angerostet.
Girija brummte mißbilligend. So behandelte man kein wertvolles Gut. Er legte das Gewehr in den Kasten zurück und machte sich daran, den restlichen Fund zu untersuchen. Er stellte sehr bald fest, daß weit mehr vorhanden war, als er zunächst angenommen hatte. Es waren zehn Gewehrkisten und mindestens dreißig weitere Kisten und Behälter verschiedener Größen, dazu noch Munitionskästen.
Die größeren Kisten trugen Bezeichnungen, die mit Schablonen aufgemalt waren. Um einen Blick darauf werfen zu können, begann Girija einige von den kleineren Behältern zur Seite zu schieben, und hielt dann plötzlich inne. Er würde sehr bald den Rückweg antreten müssen, und es bestand keine Aussicht, noch an diesem Tag Inventur machen zu können. Übrigens war es auch überflüssig, Inventur zu
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