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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Rossmann
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lässt.«
    Er scheuchte mich mit einer Handbewegung zur Tür und brachte mich dann durch eine großartige Geste wieder dazu stehenzubleiben. Verdammte Seminartricks. »Und besprechen Sie mit Droch, was zu tun ist.«
    Droch, auch das noch. Droch war Chefkommentator und Chef der politischen Redaktion. Ein wichtiger Mann der politischen Szene, schon seit Jahrzehnten. Berüchtigt wegen seiner Kommentare auch während der Redaktionssitzungen. Berühmt für seinen Spott. Er durfte spotten. Menschlichen Regungen und Gefühlen verpasste er gerne eine eiskalte Dusche. Er war ein Profi, bereits ewig im Geschäft und beinahe ebenso lange im Rollstuhl. Folgen eines Einsatzes als Kriegsberichterstatter. Typisch. Ein Held, wie er in alten Filmen vorkam. Ich kannte ihn kaum und wollte ihn auch nicht kennenlernen. Erst vor einigen Wochen, als ich eine Reportage über den Alltag von Bosnierinnen in Wien angeregt hatte, war seine Antwort gewesen: »Wusste gar nicht, dass Soziales zum Lifestyle gehört. Eine schicke Sache, Bosnierinnen.« Und alle hatten gelacht. Mist.
    Ich ging mit steinernem Gesicht an der Chefsekretärin vorbei, der wollte ich nun wirklich nichts gönnen. Da öffnete der Chefredakteur seine Tür und rief mir nach: »Für das Interview heute Nachmittag habe ich schon jemand anderen eingeteilt, bevor Sie uns noch internationale Verwicklungen bescheren.«
    »Ist sein Vater Präsident von Suchard oder von Ciba-Geigy?«
    Der Chefredakteur schloss wortlos die Tür. Das hat gut getan.

[ 2 ]
    Ich läutete. Eigentlich war Vogls Villa wenig imposant. In der besten Gegend Wiens, das schon. Aber die fantasielose Fassade des zu groß geratenen Einfamilienhauses aus den sechziger Jahren hätte eher zu einem gehobenen Finanzbeamten als zum aussichtsreichsten Kandidaten der kommenden Präsidentschaftswahl gepasst. »Politiker des nächsten Jahrtausends« hatte ihn ein halb vertrottelter, aber sehr populärer Burgtheaterschauspieler aus seinem Prominenten-Unterstützungskomitee öffentlich genannt. Schauspieler sollten sich lieber an ihre Textbücher halten. Ich war müde. Ich läutete noch einmal und konnte mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal einen Sonnenaufgang erlebt hatte. Ich kann ohne Sonnenaufgänge leben. Gismo war nicht einmal aufgewacht, als ich das Haus verlassen hatte. Wo blieb der verdammte Kandidat?
    Mein Fotograf schoss inzwischen Bilder von der Villa. Mir war es immer etwas peinlich, mit welcher Selbstverständlichkeit unsere Fotografen ins Leben anderer Leute platzten. Aber die meisten mochten das sogar. Der Fotograf drückte die Klinke des niedrigen schmiedeeisernen Gartentors. Es ging auf. Ohne ein Wort zu sagen, war er auch schon drin. Verdammt. Sollte ich ihm folgen? Vielleicht funktionierte die Glocke nicht. Langsam ging ich auf dem gepflasterten Weg bis zur Haustüre. Kein Lebenszeichen. Seltsam. Ich wollte gerade den Klingelknopf drücken, als ich eine Frau schreien hörte. »Mörder!«
    Eine Tür wurde zugeschlagen. Eine dunkle Männerstimme sagte etwas, aber ich verstand nicht, was.
    Dann kreischte die Frau: »Wenn du das tust, dann machst du dir deinen Scheiß eben alleine!«
    Wieder knallte eine Tür.
    Jetzt war der Mann zu verstehen, er brüllte: »Komm zurück, aber sofort!«
    Da ging die Tür auf. Ich stand einer großen Gestalt mit breiten Schultern, merkwürdig runden Augen und ausdruckslosem Gesicht gegenüber.
    Ich wurde gebeten, im Salon zu warten. Der Teppich war tief und für die kleinen Fenster zu dunkel. Die Sitzgruppe stammte aus dem Biedermeier. Ich hasse Biedermeiermöbel. Der Mann, offenbar einer der Leibwächter, verschwand wieder. Mein Herz klopfte spürbar. Ich atmete vorsichtig mit offenem Mund und hörte leise gereizte Stimmen, dann das Rücken von Stühlen. Wenig später kam eine junge Frau mit ausgebreiteten Armen und übertrieben herzlichen Begrüßungsworten auf mich zu. Zu meiner Beruhigung ließ sie die Arme rechtzeitig wieder sinken. Vogls Tochter und eindeutig die Frau, die geschrien hatte. Sie half ihrem Vater repräsentieren, aber offensichtlich nicht gerne. Vogls Frau war vor einigen Jahren verunglückt. Bei einem Schiunfall? Das würde ich noch nachlesen müssen.
    Im Esszimmer saßen sie rund um einen schön gedeckten Frühstückstisch, Wolfgang A. Vogl, so, dass ihn von der Seite her sanftes Morgenlicht beschien. Vogls Kopf war etwas zu rund, um als markant gelten zu können. Alles an ihm war glatt: die Stirn, die Wangen, der dreiteilige Anzug und die

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