Wahn - Duma Key
ja, wie man sagt: Das Leugnen hat den Pharao ertränkt, und Moses hat die Kinder Israels in die Freiheit geführt.«
»Äh … das lag wohl eher am Roten Meer. Gibt es andere Medikamente, die du nehmen könntest? Stärkere?«
»Principe hat seinen Rezeptblock geschwenkt, aber er hat mir Neurontin angeboten, und das will ich nicht mal ausprobieren.«
»Wegen deines Jobs.«
»Richtig.«
»Wireman, du nutzt ihr nichts, wenn du blind bist wie ein Maulwurf.«
Für ein, zwei Minuten gab er keine Antwort. Die Straße, auf der um diese Zeit kaum Verkehr herrschte, spulte sich vor meinen Scheinwerfern ab. Dann sagte er: »Blindheit dürfte bald das geringste meiner Probleme sein.«
Ich riskierte einen Blick zu ihm hinüber. »Diese Sache könnte dich umbringen, meinst du?«
»Ja.« Er sprach mit einer Nüchternheit, die sehr überzeugend war. »Und, Edgar?«
»Was?«
»Bevor es so weit ist und solange ich noch ein gutes linkes Auge habe, möchte ich mir gerne noch mehr von deinen Bildern ansehen. Auch Miss Eastlake würde gern welche sehen. Sie hat mich gebeten, dich zu fragen. Du kannst den Wagen benutzen, um sie zum Palacio zu bringen - anscheinend kommst du damit glänzend zurecht.«
Die Abzweigung nach Duma Key lag vor uns. Ich setzte den Blinker.
»Ich will dir erzählen, was ich manchmal denke«, sagte er. »Ich denke, dass diese fabelhafte Glückssträhne, die ich in letzter Zeit gehabt habe, irgendwann aufhören und sich ins Gegenteil verkehren muss. Dafür gibt es keinerlei statistischen Grund, aber der Gedanke ist irgendwie tröstlich. Verstehst du?«
»Nur zu gut«, sagte ich. »Und, Wireman?«
»Noch immer anwesend, muchacho .«
»Du liebst Duma Key, aber du denkst auch, dass irgendwas damit nicht in Ordnung ist. Was hat es mit der Insel auf sich?«
»Ich weiß nicht genau, was es ist, aber es ist irgendwas. Meinst du nicht auch?«
»Allerdings meine ich das. Als Ilse und ich versucht haben, der Straße zu folgen, ist uns beiden schlecht geworden. Ihr mehr als mir.«
»Und den Geschichten nach, die ich gehört habe, war sie nicht die Einzige.«
»Es gibt tatsächlich Geschichten?«
»O ja. Die Strände sind in Ordnung, aber das Innere der Insel...« Er schüttelte den Kopf. »Ich denke, es könnte irgendeine Verunreinigung des Grundwassers sein. Das gleiche Irgendwas, das die Vegetation in einem Klima, in dem man jeden Rasen bewässern muss, damit er nicht verdorrt, so üppig wuchern lässt. Ich weiß es nicht. Aber am besten hält man sich davon fern. Ich glaube, dass das besonders für junge Damen ratsam ist, die irgendwann Kinder haben möchten. Solche ohne Missbildungen.«
Das war eine hässliche Idee, auf die ich bisher nicht gekommen war. Den restlichen Weg legte ich schweigend zurück.
IX Hier geht es um Erinnerungen, und aus jenem Winter stehen mir nur wenige so deutlich vor Augen wie die an unsere Ankunft im Palacio an diesem Februarabend. Die beiden Flügel des schmiedeeisernen Tors standen offen. Wie an dem Tag, an dem Ilse und ich zu unserer fehlgeschlagenen Expedition nach Süden aufgebrochen waren, saß Elizabeth Eastlake in ihrem Rollstuhl zwischen ihnen. Diesmal ohne die Harpunenpistole, aber wieder in dem zweiteiligen Sweatsuit (heute mit etwas darüber, das ein altes Schuljackett zu sein schien) und mit ihren großen Sneakers - die im Scheinwerferlicht des Malibu nicht blau, sondern schwarz aussahen - auf den verchromten Fußstützen. Neben ihr stand ihr Gehwägelchen, und neben ihrer Gehhilfe stand Jack Cantori mit einer Taschenlampe in der Hand.
Als sie den Wagen kommen sah, versuchte sie aufzustehen. Jack wollte sie anfangs daran hindern. Aber als er sah, dass sie es ernst meinte, legte er die Taschenlampe auf die Pflastersteine und half ihr. Ich hatte kaum neben dem Tor geparkt, als Wireman bereits seine Tür öffnete. Die Scheinwerfer des Malibu beleuchteten Jack und Elizabeth wie Schauspieler auf einer Bühne. »Nein, Miss Eastlake!«, rief Wireman. »Nein, versuchen Sie nicht, aufzustehen! Ich schiebe Sie wieder rein!«
Sie achtete nicht auf ihn. Jack begleitete sie zu ihrem Gehwägelchen - oder sie führte ihn hin -, und sie umfasste beide Griffe. Dann begann sie auf das Auto zuzustampfen. Unterdessen mühte ich mich ab, hinter dem Lenkrad hervorzukommen, wobei ich wie immer mit meiner schlimmen Hüfte zu kämpfen hatte. Ich stand neben der Motorhaube, als sie die Gehhilfe zur Seite schob und Wireman die Arme entgegenstreckte. Das Fleisch
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