Wahn - Duma Key
bin kein bisschen eifersüchtig.« Ein doppeltes Hmmmm.
Ich machte mir ein Mortadella-Käse-Sandwich (selbst nach einem Vierteljahr auf Duma Key hatte ich Mortadella noch nicht satt), dann ging ich nach oben. Sah mir die Mädchen mit Schiff -Bilder an, die in Wirklichkeit Ilse mit Schiff hießen. Dachte daran, dass Wireman mich gefragt hatte, was ich zurzeit malte. Dachte an die lange Nachricht, die Elizabeth auf meinen Anrufbeantworter gesprochen hatte. An ihren besorgten Tonfall. Und sie hatte gesagt, ich müsse Vorsichtsmaßnahmen treffen.
Ich fasste einen plötzlichen Entschluss und lief so rasch die Treppe hinunter, wie ich, ohne zu stürzen, konnte.
XI Anders alsWireman schleppte ich meine dicke alte Geldbörse von Lord Buxton nicht mit mir herum; ich steckte meistens eine Kreditkarte, meinen Führerschein und ein paar zusammengefaltete Geldscheine in meine Hemdtasche und ließ es dabei bewenden. Die Geldbörse lag im Wohnzimmer in einer Schreibtischschublade. Ich nahm sie heraus, blätterte die Geschäftskarten durch und fand die, auf der in erhabenen Goldbuchstaben SCOTO GALLERY stand. Wie erwartet hörte ich die nach Geschäftsschluss übliche Ansage. Als Dario Nannuzzi seinen kurzen Text aufgesagt hatte und der Piepton erklungen war, sagte ich: »Hallo, Mr. Nannuzzi, hier ist Edgar Freemantle aus Duma Key. Ich bin der...« Ich machte eine kurze Pause, weil ich Kerl hatte sagen wollen, aber genau wusste, dass ich für ihn etwas anderes war. »Ich bin der Künstler, der Sonnenuntergänge mit großen Muscheln, Pflanzen und sonstigen Dingen davor malt. Sie haben davon gesprochen, möglicherweise meine Werke auszustellen. Sollten Sie noch daran interessiert sein, rufen Sie mich bitte an?« Ich sprach noch meine Telefonnummer aufs Band und legte auf, inzwischen fühlte ich mich ein wenig besser. Zumindest hatte ich das Gefühl, etwas getan zu haben.
Ich holte mir ein Bier aus dem Kühlschrank und stellte den Fernseher an, weil ich hoffte, auf HBO einen Film zu finden, den es sich anzusehen lohnte, bevor ich zu Bett ging. Die Muscheln unter dem Haus machten angenehm einschläfernde Laute; heute Abend klang ihre Unterhaltung zivilisiert und gedämpft.
Übertönt wurde sie von der Stimme eines Mannes, der in einem Dickicht aus Mikrofonen stand. Der Sender war Channel 6, und der gegenwärtige Star war Candy Browns Pflichtverteidiger. Die hier wiederholte Pressekonferenz musste er ungefähr zu dem Zeitpunkt gehalten haben, als Wireman sich den Kopf hatte untersuchen lassen. Der Verteidiger schien Anfang fünfzig zu sein und trug sein Haar zu einem Anwaltspferdeschwanz zusammengefasst, aber sein Auftreten hatte nichts Proformahaftes an sich. Er wirkte und sprach engagiert . Er erzählte den Reportern, sein Mandant werde wegen Geistesgestörtheit auf »nicht schuldig« plädieren.
Er sagte, Mr. Brown sei drogenabhängig, pornosüchtig, sexbesessen und schizophren. Nichts davon, dass er Eiscreme und Now That’s What I Call Music -Samplern nicht widerstehen könne, aber natürlich waren die Geschworenen noch nicht ausgewählt. Außer dem Mikrofon von Channel 6 sah ich die Logos von NBC, CBS, ABC, Fox und CNN. Solche Berichterstattung hätte Tina Garibaldi nicht bekommen, wenn sie einen Buchstabier- oder Vorlesewettbewerb gewonnen hätte, nicht einmal, wenn sie den Familienhund aus einem tosenden Fluss gerettet hätte, aber lass dich vergewaltigen und ermorden, dann erfährt ganz Amerika von dir, Schätzchen. Jeder weiß, dass der Killer deinen Slip in seiner Kommode hatte.
»Seine Abhängigkeiten sind ehrlich erworben«, sagte der Verteidiger. »Seine Mutter und seine beiden Stiefväter waren Drogenabhängige. Seine Kindheit war eine Schreckenszeit, in der er systematisch geschlagen und sexuell missbraucht wurde. Er war mehrfach in einer Nervenklinik. Seine Ehefrau hat ein gutes Herz, ist aber selbst geistig behindert. Er hätte eigentlich nie frei herumlaufen dürfen.«
Er sah in die Kameras.
»Dieses Verbrechen ist Sarasota anzulasten, nicht George Brown. Ich habe größtes Mitleid mit den Garibaldis, ich weine mit den Garibaldis...« Er hob sein tränenloses Gesicht in die Kameras, als wollte er das irgendwie beweisen. »... aber George Brown oben in Starke hinzurichten macht Tina Garibaldi nicht wieder lebendig und repariert auch nicht das kaputte System, das diesen kaputten Menschen unbeaufsichtigt hat herumlaufen lassen. Das war mein Statement, danke fürs Zuhören, und wenn Sie
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